Die Informationstechnologie hat unsere Gesellschaft von Grund auf umgekrempelt, aber die Politiker dreschen ihre Phrasen wie zuvor. 2006 haben sich in Deutschland die „Piraten“ nach schwedischem Vorbild zusammengefunden, um in der Politik so mitzubestimmen, wie es in der Welt der Computernetze zeitgemäss ist. In ihren Anfängen motzten sie gegen das Urheberrecht, das ihnen im Zeitalter des Internet obsolet erschien. Schnell aber wurde aus dieser diffusen Bewegung eine politische Partei, die mit ihren Erfolgen namentlich der FDP das Fürchten beibrachte. Anfang dieses Jahres lagen die Piraten in Umfragen bei 9 Prozent. Schon 2011 schafften sie den Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus mit 8,9 Prozent. Aber dem Charme der Rebellion muss ein Programm ebenso folgen wie einer Liebesbeziehung auf Dauer eine Ehe oder eine „Lebenspartnerschaft“. Nach vielen Querelen haben die Piraten an diesem Wochenende auf einem „Parteitag“ in Bochum versucht, Formeln für ihre Verbindung zu suchen. Mehr als 2000 Mitglieder diskutierten – und die Medien haben das Ganze aufmerksam verfolgt. Herausgekommen sind Allgemeinplätze – wenn es gut lief. Oft aber verrannten sich die Piraten hoffnungslos in Geschäftsordungsdebatten – ganz so, wie Kurt Tucholsky das deutsche Vereinsleben karikiert hat. Und inzwischen liegen die Piraten bei Umfragen zwischen 3 bis 4 Prozent. Ist die etablierte Politik deswegen besser? Zumindest ist sie routinierter darin, uns zu erklären, warum das, was sie versprochen hat, nicht eingetroffen ist. (Stephan Wehowsky)