„Graf Yoster gibt sich die Ehre“ – so hiess die Fernsehserie, in der Lukas Ammann in den Sechziger- und Siebzigerjahren zur Kultfigur wurde. Sein Aristokratengesicht wurde zur Legende. 70 Yoster-Folgen flimmerten über den Bildschirm. Insgesamt 700 Rollen hat der „schöne Mann aus Basel“ in seinem langen Leben gespielt. Jetzt soll eine weitere dazukommen.
Im April wird wieder gedreht. „Es ist eine kleine Rolle“, sagt er uns, „ein Tageseinsatz, aber dieser Tag gehört mir. Die andern Schauspieler seien berühmt, ebenso die Regisseurin. Mehr will er noch nicht verraten.
Autofahren mit 101 Jahren
Lukas Amman wird am kommenden 29. September 102 Jahre alt. „Ausser der Bandscheibe geht es mir gut, ich war nie wirklich krank in meinem Leben“. Wenn er erzählt, sprüht er vor Energie. Er spricht mit fester Stimme, antwortet schlagfertig und ist chic gekleidet. Seine Augen sind wach und funkeln.
Noch immer fährt er Auto. Seit 1956 wohnt er in München. Im letzten Februar ist er vom Vorort Garching in die Innenstadt umgezogen: mitten ins Bohème-Viertel Schwabing. Doch seinem Coiffeur in Garching bleibt er treu. Zu ihm fährt er mit dem Auto, einem 5er-BMW, sieben Jahre alt, 51‘000 Kilometer. „Lange Strecken fahre ich heute seltener als früher.“
Schöne Frauen, reiche Dandys
Die Welt von „Graf Yoster“ waren Schlösser und Rolls Royces, schöne Frauen, reiche Dandys und aufgeputzte Snobs. Hier in der High Society löste der Amateurdedektiv Yoster seine Kriminalfälle. Die Fernsehserie brachte Quoten von bis zu 70 Prozent – jedem heutigen Fernsehproduzenten fällt da der Kiefer runter. Zum Einsatz kam bei den Filmarbeiten - wie sich erst später herausstellte - ein Rolls Royce, der einem richtigen Frauenmörder gehörte.
Doch Lukas Ammann war mehr als „Graf Yoster“. 300 Theater-Rollen hat er gespielt; 107 im Zürcher Schauspielhaus. „Das war meine wichtigste Zeit“. 400 Mal spielte er in Filmen oder Fernsehserien. 249 Mal spielte er in der Fernsehserie „Die Fallers“ einen Bauern. Mit 92 Jahren übernahm er die Hauptrolle in Micha Lewinskys Film „Herr Goldstein“, der beim Filmfestival in Locarno als bester Schweizer Kurzfilm prämiert wurde.
„Nur bügeln liegt mir nicht“
Ammann wohnt allein in seiner „wunderschönen Wohnung“ im Schwabing, „fünf Schritte von einem Kino enfernt“. Die Wohnung ist so geräumig, dass er alle Bilder seines Vaters aufhängen konnte. Sein Vater war Kunstmaler.
„Die Wäsche mache ich selbst“, erzählt er. „Nur bügeln liegt mir nicht“. Das macht eine Putzfrau, die alle zwei Wochen kommt. Er kocht auch selbst. „Diese Hauslieferdienste hängen mir zum Hals hinaus“.
Oft geht er in Restaurants. „Ich kann ja nicht immer allein zu Hause essen“. Am liebsten geht er in italienische Restaurants – vorausgesetzt, es gibt dort auch Zabaglione. „Meine Restaurants müssen Zabaglione anbieten, sonst gehe ich nicht hin.“
Der 101-jährige Skyper
„Meine zwei Buben wohnen in Montevideo in Uruguay“. Der eine „Bub“ ist 64, der andere 62. Der Ältere hat ihn an Weihnachten besucht, der jüngere kommt demnächst. „Ich nenne sie Buben, obwohl sie einen Kopf grösser und drei Mal so breit sind wie ich.“ Mit ihnen und seinen Enkeln steht er in regelmässigem Kontakt – via Internet und Skype. „Der Laptop ist wichtig für mich“.
Auch im vergangenen Jahr stand er wieder vor einer Kamera. Es war ein surrealistischer Film des 19-jährigen Liechtensteiner Regisseurs Ronnie Vogt: „Réunion Solitaire“. Gedreht wurde in Vaduz. „Ich hatte nicht viel Text, aber es war ein wichtiger Text“. Für ihn war diese Rolle eine willkommene Herausforderung. „Das Hirn will ja nicht mehr lernen in meinem Alter. Das Hirn will sich nur noch erinnern.“
„Alle sind weggestorben“
Sein jetziger Besuch in Zürich ist eine Ausnahme, denn in die Schweiz kommt der gebürtige Basler nur noch selten. „Ich kenne niemanden mehr, es sind ja fast alle weggestorben.“ Doch wenn er in der Schweiz oder in München durch die Strassen geht, wird er noch immer erkannt. „Die sind erstaunt, dass ich noch lebe.“
Nur einmal war in seinem Leben operiert worden – in jungen Jahren. Er kletterte in den Bergen, stürzte ab und brach sich das Becken. „Ich kann mich nicht beklagen“, sagt er heute. „Der Arzt will meine Bandscheibe operieren, doch das will ich nicht mehr“. Er nimmt ein Schmerzmittel am morgen, „das hält dann bis zum Abend.“
„Miserables Fernsehen, eine Schande“
Ammann hört oft Radio, liest die „Süddeutsche Zeitung“, geht ab und zu ins Theater und selten ins Kino. Fernsehen schaut er immer weniger. Das Fernsehen heute ist „ganz miserabel, eine Schande, nur noch Blödheiten werden geboten, immer nur Quiz und Tatort“.
Und wenn schon einmal Klassiker vorkämen, dann würden sie mit technischem Firlefanz verunstaltet. „Die sollen einmal richtige Schauspieler hinstellen“. Fernsehschauspieler seien ja keine richtigen Schauspieler, die hätten es ja leicht. „Es wird ja immer in kleinen Sequenzen produziert, die müssen gar keinen langen Dialog lernen“. Es sei keine Kunst am Fernsehen gut zu spielen. „Das kann jeder Pfuscher.“