Auf ihrer Internetseite hat die International Crisis Group (IGC) eine Erklärung vorgelegt, in der ein möglicher Militärschlag als die derzeit schlechteste Option bewertet wird. Dieses Statement hat deswegen Gewicht, weil der seit 1995 bestehenden ICG erstrangige Experten und Politiker angehören.
Der Kern der Aussage besteht darin, dass sich alle Massnahmen am „Wohlergehen des syrischen Volkes“ zu orientieren haben. Ein Militärschlag habe daran gemessen nur negative Effekte:
- Radikalisierung aller Kriegsparteien in Syrien selbst
- Verschärfung der internationalen Spannungen um Syrien
- Minderung der Chancen auf eine internationale Syrien-Konferenz
- Minderung der Chance für Amerika, eine mögliche Zusammenarbeit mit Iran zu „testen“
Diese schweren Nachteile würden durch das Interesse der USA , eine einmal ausgesprochene Drohung bezüglich des Überschreitens einer „roten Linie“ um der eigenen Glaubwürdigkeit willen auch umzusetzen, nicht aufgewogen. Ganz im Gegenteil sei selbst die Zustimmung für einen Militärschlag unter den betroffenen Syrern „unwahrscheinlich“.
Fingierte Beweise
Weiterhin betont die Gruppe, dass auch international nur eine kleine Minderheit der Staaten einem Militärschlag zustimmen würde. Die Isolation der USA würde dadurch weiter verschärft.
Grosse Zweifel äussert die ICG an der Möglichkeit, zweifelsfreie Beweise für die Urheberschaft des Asad-Regimes am Giftgaseinsatz beizubringen und prognostiziert sogar einen „Fehlschlag“. In diesem Zusammenhang erinnern die Autoren an den Beginn des Irak-Krieges 2003, der ebenfalls aufgrund fingierter Beweise vom Zaun gebrochen wurde.
Wohlergehen des syrischen Volkes
Noch schwerwiegender ist eine weitere Schlussfolgerung der International Crisis Group: Gerade weil die Beweise nie eindeutig sein können, bestehe die Gefahr, dass die eine oder andere Anti-Asad-Gruppierung versucht sein könnte, mit weiteren Giftgaseinsätzen zusätzliche Interventionen der USA zu provozieren.
Es gibt für die ICG keine militärische Option, die dem „Wohlergehen des syrischen Volkes“ und der Nachbarstaaten zuträglich ist. Statt dessen empfehlen die Autoren konkrete politische Schritte:
- Ausloten der Möglichkeiten für „einen realistischen Kompromiss“
- Konzessionen an alle kriegführenden Parteien
- Einbindung des Iran
- Vermeidung eines „politischen Vakuums“ beim Zusammenbruch des syrischen Staates
- Entsprechend Aufbau auf bestehenden Institutionen
- Aber aber auf Dauer Ablösung des Asad-Regimes
- Verzicht aller Beteiligten auf „Vergeltung“
Um diese Ziele zu verwirklichen, sei es notwendig, die Bemühungen des gemeinsamen Botschafters der Arabischen Liga und der Vereinten Nationen, Lakhdar Brahimi, für eine neue Genfer Syrienkonferenz zu unterstützen.
Die Erklärung schliesst mit der Feststellung, dass die gegenwärtige Debatte über einen Militärschlag die zentrale Frage verdeckt und verdunkelt habe: Wie kann die Suche nach einer politischen Regelung revitalisiert werden?
International Crisis Group
Die International Crisis Group wurde 1995 als Reaktion auf das Versagen der internationalen Gemeinschaft auf die Genozide in Somalia, Ruanda und Bosnien von Diplomaten, hochrangigen Politikern und Experten gegründet.
Der bekannteste deutsche Politiker im Beirat der ICG ist Joschlka Fischer Die Organisation hat verschiedene Standorte: Brüssel (Hauptsitz), Washington D. C., New York, London, Moskau und Peking. Der Etat beträgt etwa 15 Millionen US Dollar. Die etwa 135 Mitarbeiter kommen aus über 50 Ländern.