Dem Reisenden passiert es mitunter, dass er Gelesenes nach persönlichen Begegnungen, Eindrücken und Erlebnissen revidiert. Denn Reiseführer und Ländermonografien widerspiegeln fremde Realität nur verschwommen. Zum Glück. Denn sonst würde Reisen, wie Einkaufen, zum Abhaken vorgegebener Punkte verkommen. Weniger häufig widerfährt es dem Besucher, Erlebtes aufgrund nachträglicher Lektüre hinterfragen zu müssen. So unlängst geschehen im Falle Tansanias. Es gehört reichen Ressourcen zum Trotz nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Erde. Wofür es änderliche und anscheinend unabänderliche Gründe gibt. Auf jeden Fall ist in Dar es Salaam, von omnipräsenten Handys abgesehen, von Globalisierung wenig zu spüren, von überlieferten Problemen dagegen einiges. Selbst Einheimische warnen etwa vor der prekären Sicherheit, und ein Stopp im fast menschenleeren Bahnhof an der Gerezani Street mag als Indiz genügen, dass Tansanias Infrastruktur, wie das Bildungs- oder das Gesundheitssystem, den Anforderungen der Moderne nicht genügt. Umso überraschter reagiert der Reisende, wenn er, kaum zu Hause, in der „IHT“ einen Artikel liest, der den ungebremsten Aufschwung des Schwarzen Kontinents prognostiziert: „Während der Rest der Welt lahmt, beschleunigt Afrika“. Die Prognose basiert auf Statistiken einer russischen Investmentfirma. Deren Chef folgert, Afrika werde in den nächsten 30 Jahren den Weg gehen, den Länder wie Brasilien, China und Indien jüngst gegangen sind. Nur würden Afrikas Löwen künftig noch schneller rennen als Asiens Tiger. Dem Kontinent und seinen Menschen wär’s zu gönnen. Wenn da nur die lästige Gegenwart nicht wäre. (Ignaz Staub)