Umfragen zeigen: Berlusconis Rechtslager macht Boden gut. Die Linke und das „Movimento 5 stelle“ verlieren leicht. Und Mario Monti kommt nicht vom Fleck.
Die Befragungen, die zum Teil gesteuert sind, müssen mit Vorsicht aufgenommen werden. Das Institut Euromedia Research von Alessandra Ghisleri behauptet am Donnerstag, Berlusconi liege nur noch drei Prozentpunkte hinter dem sozialdemokratischen Linksblock. Doch Ghisleri gilt als Berlusconi-hörig. Auch wenn diese Umfrage stark manipuliert ist, sie gibt dem Rechtslager weiter Schwung. Die Botschaft ist: Wir können noch gewinnen. Schon immer hat man mit Umfragen Politik gemacht.
Andere Befragungen, so jene des Instituts Ispo, geben dem Linkslager einen Vorsprung von rund 10 Prozent. Die Linksparteien kämen danach auf 38 bis 39 Prozent, das Berlusconi-Lager auf 26 bis 28 Prozent und das Zentrum von Ministerpräsident Monti auf mehr als 15 Prozent. Die „5 Sterne-Bewegung“ des Komikers Beppe Grillo würde 13 bis 14 Prozent der Stimmen einfahren, mit abnehmender Tendenz.
Berlusconi überall
Sicher ist: Berlusconi legt zu, die andern stagnieren. Vor zwei Monaten lag er noch mit 25 Prozent zurück. Es ist gut möglich, dass er in den letzten 24 Tagen vor den Wahlen weiter aufholen wird, denn er ist omnipräsent.
Wer italienische Zeitungen aufschlägt oder die Online-Auftritte der Medien anklickt: überall Berlusconi, Berlusconi, Berlusconi. Wer italienisches Fernsehen schaut, welche Kanäle auch immer: überall spricht man von ihm.
Mit deftigen Sprüchen gelingt es ihm, sich immer und immer in Szene zu setzen. Wieder greift er rüde die Deutschen und ihre Kanzlerin an. Er poltert in den Fernsehstudios. Mario Monti, den er noch vor kurzem gelobt hatte, kanzelt er in der Sprache eines Gassenjungen ab. Er verlobt sich mit einer 48 Jahre Jüngeren – und alle sprechen von ihm. Überall tritt er auf, überall provoziert er. Faustdick lügt er in die Kameras. Alle wissen es und zucken mit den Schultern. Er lobt Mussolini, viele entrüsten sich – und sprechen von ihm. Und noch immer scheint seine alte Leier von der kommunistischen Gefahr in Italien bei einigen zu wirken. Er geisselt die „kommunistischen Richter“, die ihn, den Ehrenwerten, verurteilen wollen. Die Justiz sei "eine Pathologie, mit der wir uns befassen, wenn wir an der Regierung sind". Wieder spielt er sich als Retter des Landes auf – er, der das Land in ein Griechenland-ähnliches Chaos geführt hat.
Ein populistisches Genie
Für 20 Millionen Euro kauft er für seinen Fussballclub AC Milan den exzentrischen Spieler Mario Balotelli. „Das ist der richtige Mario“, sagt Berlusconi grinsend in die Kameras. Dieser Mario hat die Deutschen zum Heulen gebracht.“ Und er fügt bei: „Der andere Mario, Mario Monti, bringt uns Italiener zum Heulen.“
Nach dem Kauf von Balotelli stieg Berlusconi in den Meinungsumfragen um zwei Prozent. Man stelle sich vor: Da gibt es Italiener, die für Berlusconi stimmen, nur weil er einen rüpelhaften Fussballspieler engagiert hat - einen, der zwar Fussball spielen kann, aber ständig betrunken in Bars herumhängt.
Man kann ihn hassen oder lieben: doch Berlusconi ist ein Phänomen. In Sachen Populismus ist er ein Genie. Mal laut, mal leise, mal wütend, mal besorgt um sein Volk – immer wieder gelingt es ihm, einen Teil seiner Landsleute für sich einzunehmen. Die Energie des 78-Jährigen ist bewundernswert. Auch wenn viele behaupten, er beziehe diese Energie aus Medikamenten. Im Herbst noch prophezeiten alle, seine Partei würde auseinanderbrechen. Es ist ihm gelungen, sie zusammenzuhalten. Kaum ein wichtiger Politiker ist abgesprungen.
Berlusconi verspricht einen Abbau der Steuern. Und schon schart sich ein grosser Teil der Italiener hinter ihm. Wie er dann das riesige Loch im Staatshaushalt auffüllen will, sagt er nicht – ein Loch, das er selbst aufgerissen hat. Berlusconi ist nicht nur ein meisterhafter Volksverführer: es braucht auch ein Volk, das ihm seine Phantasien abnimmt.
Kein Potential, gescheiter zu werden?
Auf der andern Seite wirkt Mario Monti zögerlich. Berlusconi posaunt ins Land hinaus, er werde die verhasste Immobiliensteuer für Eigenheime abschaffen. Vor Weihnachten sagte Monti, „wenn wir diese Steuer abschaffen, wird sie im nächsten Jahr doppelt so hoch sein müssen“. Jetzt plötzlich will auch Monti diese Steuer abschaffen. Vertrauenswürdig wirkt diese Politik nicht.
Die Linke verlor zwar zwei, drei Prozent, allerdings auf hohem Niveau. Sie kann sich als stärkste Partei behaupten. Doch ihr Wahlkampf ist eher langweilig. Es fällt der italienischen Linken seit jeher schwer, schwungvoll mit dem Volk zu kommunizieren.
So beherrscht denn Berlusconi das Terrain. So poltert er durchs Land, von Como bis Syrakus. Wie ein Dämon taucht er überall auf, wie ein Gespenst ist er plötzlich da. Man stelle sich vor, er würde gewählt!
Dann müssten sich gewisse Italiener einmal die Frage gefallen lassen, ob es in ihren Genen kein Potential gibt, gescheiter zu werden.