In Zeiten, in denen Zeitschriften eher vom Markt genommen als neu auf den Markt gebracht werden, wirkt dieses Unternehmen erstaunlich. Aber es zeigt, wie lebendig die analoge Fotografie nach wie vor ist und mit welcher Leidenschaft sie betrieben wird.
Handelt es sich um reine Nostalgie? Der Vergleich mit der Uhrenindustrie legt diesen Gedanken nahe. Sogenannte klassische Modelle mit mechanischen Werken erfreuen sich grosser Beliebtheit, obwohl sie längst nicht so genau sind wie einfache Quarzuhren. Bei der Fotografie liegt der Fall aber noch anders.
Zwar ist es richtig, dass die Digitalisierung enorme Fortschritte gebracht hat: Handlichkeit, Schnelligkeit, bessere Bildqualität, Preis-Leistungs-Verhältnis. Man kann nur darüber staunen, was selbst preisgünstige Kameras heute an Bildern ermöglichen. Und im Spitzenbereich für den professionellen Gebrauch wurde eine Bildqualität erreicht, die sinnvollerweise nicht mehr zu überbieten ist.
Variantenreichtum
Aber es bleibt ein Ungenügen. Es geht einem wie in einem Warenhaus mit überwältigendem Angebot: Wenn man etwas Bestimmtes sucht, ist es nicht da. Unverkennbar handelt es sich bei den Digitalkameras um Massenprodukte, die bis ins letzte Detail auf den weltweiten Massenmarkt abgestimmt sind. So wird man bei kleineren Kameras immer wieder auf störende technische Kompromisse stossen. Oder aber man hängt sich eine voluminöse und schwere Ausrüstung um den Hals, die einen vom Fotografen in den Bediener einer Bildmaschine verwandelt.
Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass Bilder, die auf Film aufgenommen werden, anders als digitale anmuten. Die Wahl des Films beeinflusst die spätere Bildwirkung. Bis heute werden unterschiedliche Filmsorten für Farbe und Schwarzweiss hergestellt, auch wenn man sie in den landläufigen Geschäften nicht immer antrifft.
Plattformen für Leser
Dazu kommen neuartige Entwickler für Schwarzweissfilme. Diese Entwickler können Amateure jetzt auch in kleinen Mengen bei Anbietern in Deutschland und der Schweiz beziehen, und ihre Haltbarkeit ist auf bis zu vier Jahren ausgedehnt worden. Die Digitalfotografie hat auch der analogen Fotografie einen gewaltigen Schub gegeben. Zudem wurden Filme, Fotopapiere und Entwickler so abgestimmt, dass die Bilder, wenn man es möchte, stärker den heutigen Sehgewohnheiten entsprechen.
In Internetforen tauschen die Liebhaber analoger Fotografie ihre neuesten Erfahrungen mit Filmen, Papieren, Entwicklern und Verfahren aus. Das Feld ist riesig, und die Zeitschrift „Photoklassik“ muss sich keine Sorgen um Themen machen. Und sie bietet ihren Lesern Plattformen, indem sie zum Beispiel einzelnen Fotografen die Möglichkeit gibt, sich im Rahmen einer „PhotoKlassik-Aktion“ mit einem völlig neuen Schwarzweiss-Entwickler auseinanderzusetzen.
Analoge Kameras
Einen wichtigen Platz nehmen in „PhotoKlassik“ analoge Kameras ein. Es ist kaum zu glauben, dass heute noch im Mittelformat Kameras für Rollfilme hergestellt werden: Die DHW Fototechnik GmbH in Braunschweig bietet verschiedene Modelle der Rolleiflex an, ebenso gibt es verschiedene Mittelformatmodelle von Mamiya, und Hasselblad liefert ebenfalls noch ein analoges Modell. Und nicht zu vergessen: Die Firma Leica, die das digitale Zeitalter zunächst an den Rand der Insolvenz geführt hat, hat auch noch zwei analoge Kameras im Programm,die MP und die M7, der im aktuellen Heft von PhotoKlassik ein besonders gelungener Beitrag gewidmet ist.
Gerade an Leica kann man sehen, worum es bei der analogen Fotografie auch noch geht. Denn um zu überleben, hat sich Leica dem Geschmack des Massenmarktes anverwandelt. Das geschieht zum Beispiel dadurch, dass Leica mit Panasonic kooperiert, dorthin Objektive liefert und umgekehrt Modelle von Lumix unter dem Namen Leica in moderat variierter Form, aber deutlich erhöhtem Preis anbietet. Aber es ist Massenware: Motivprogramme, Serienbildschaltung, Video in „Full-HD-Qualität“ und so weiter.
Wer sich für analoge Fotografie entscheidet, trifft eine andere Wahl. Sie besteht in der Reduktion des Möglichen auf das Wesentliche. Und er erliegt der schwer zu deutenden, aber bis heute ungebrochenen Faszination der Ikonen von Rollei, Hasselblad oder auch von Leica.
Das Medium ist die Botschaft
Weil es sich um eine Art von Liebe handelt, wird man dieser Faszination mit Datenblättern und noch so feinen Messungen nicht auf die Spur kommen. Die Community der Enthusiasten, die sich für den Reiz des Hantierens mit den "altmodischen" Geräten und Materialien entscheidet, erlebt etwas, das man gar nicht messen kann: Werthaltigkeit. Dieses Wort wird heute in der Werbung gern für digitale Geräte und erst recht für digitale Kameras gebraucht, die etwas schwerer sind als andere, also an früher erinnern. Die Werthaltigkeit der analogen Fotografie ist aber von anderer Art.
Denn sie besteht in der Achtsamkeit im Umgang mit der Kamera und dem Material, der Genauigkeit bei der Verarbeitung und überhaupt in der Sorgfalt und der Zeit, die man sich für seine Bilder nimmt. Diese Ausprägungen der Werthaltigkeit sind für das Massenmarketing nicht attraktiv. Aber sie lassen die Community der Liebhaber der klassischen Fotografie stetig wachsen.
In den 60er Jahren machte der kanadische Philosoph und Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan auf die Tatsache aufmerksam, dass Medien ihre Nutzer tiefgreifend verändern: „Das Medium ist die Botschaft“. In der Zeitschrift „PhotoKlassik“ schwingt diese Erfahrung in neuer Bedeutung mit. Die Wiederentdeckung der analogen Fotografie als Alternative zum digitalen Sofortbild, die Sorgfalt in der Wahl und der Verarbeitung der Materialien und die Herausforderung durch Kameras, die noch den Fotografen brauchen und ihm eben nicht alles abnehmen, sind Elemente, die diesen Bildern eine spezielle Note verleihen.