James Welling gehört zu jenen Künstlern, die in den USA den Ton angeben. Seine zahlreichen Ausstellungen erweisen seine grosse Popularität. Dabei ist er alles andere als leicht zu verstehen.
Die Ausstellung im Fotomuseum Winterthur erschliesst sich auch nicht auf den ersten Blick. Schwarzweissbilder von konkreten Gegenständen in ganz unterschiedlichen Formaten wechseln sich ab mit abstrakten farbigen Bildern. Zum Teil handelt es sich dabei um reine Farbverläufe, zum Teil um Muster von betörende Schönheit.
Als der Künstler die Medienvertreter durch seine Ausstellung führte, zeigte sich an ihm eine Mischung aus Suchen und Finden, aus Unsicherheit und gültigen Ausdruck, die auch sein Werk kennzeichnet. Wenn er erzählt, wirkt es zunächst wie beiläufig, aber man merkt schnell, dass dahinter sehr viel mehr steckt.
James Welling ist von seiner Ausbildung her Maler. Er tut sich schwer damit, sich als Fotograf zu bezeichnen. Welling benutzt die Fotografie, aber die diversen Apparate und technischen Verfahren sind alles Mittel in der Hand eines Malers. Damit ist wie von selbst gegenüber der Fotografie ein Verfremdungseffekt verbunden.
Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Viele bedeutende Fotografen waren auch Meister im Zeichnen und Malen. Und man muss nur an Man Ray denken, um zu erkennen, wie stark das Mittel der Fotografie auch dazu dienen kann, die gegenständliche Wirklichkeit zu überschreiten.
James Welling hat lange gesucht, bis er nach seiner Ausbildung am CALArts (California Institute of the Arts) für sich selbst einen Weg definieren konnte. Als die Fotografie ihn ergriffen hatte und er durch Paul Strand und Edward Weston regelrechten Begeisterung versetzt worden war, kaufte er eine erste Kamera und erschloss sich auf diese Weise das Medium der Fotografie, das ihm naheliegend und befremdend zugleich war und ist. Die Bilder der Ausstellung bringen dieses Erstaunen zum Ausdruck.
Zu diesem Erstaunen gehört auch eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber den Mitteln der Fotografie. James Welling bindet sich nicht an bestimmte Techniken, Verfahren oder Sichtweisen. Anders als andere Fotografen, die ihren Stil auch dadurch entwickeln, dass sie sich auf bestimmte Kameras und Techniken festlegen, benutzt James Welling alles, was ihm gerade geeignet erscheint. Jedes Mittel ist ihm recht, wenn er damit experimentieren kann und am Ende zu Ergebnissen kommt, die seinen inneren Bildern entsprechen. So ist in Winterthur auch ein Video zu sehen, das im Zusammenhang mit seinem beeindruckenden Bild vom „Glass House“ entstanden ist.
Wenn er Häuser, Möbel, Hände, Bäume oder Fabriken fotografiert, entdeckt er in ihnen immer schon jene Muster, die auf das Abstrakte, geradezu Jenseitige verweisen. Und umgekehrt gilt: Abstrakte Muster, ob aus der Natur entnommen oder als Fotogramm oder sonstwie gebildet, wirken auf eine merkwürdige Weise gegenständlich. Wer die Bilder von James Welling anschaut, überschreitet ständig Grenzen.
"Fotografie nach der Fotografie"
Die Ausstellung im Fotomuseum Winterthur, die von Thomas Seelig kuratiert wurde, hat das grosse Verdienst, auf den in Europa noch nicht so bekannten James Welling aufmerksam zu machen. Wer aber mehr als einen ersten Eindruck gewinnen will, ist auf den vorzüglichen Begleitband, James Welling, Monograph, angewiesen. Denn neben den instruktiven Begleittexten enthält dieser Band zahlreiche Bilder, an denen man die innere Entwicklung von James Welling ablesen kann. Die grössere Breite der Auswahl in diesem Band erleichtert das Verständnis von der Ausstellung in Winterthur sehr.
Es bleibt eine interessante Frage. In den Jahren 1987 – 1992 gab es das „Siemens Fotoprojekt“ unter dem programmatischen Titel: „Fotografie nach der Fotografie“. Unweigerlich erinnern die Bilder von James Welling an dieses Projekt, auch wenn er andere Wege geht.
Aber vielleicht geht diese Frage auch völlig an James Welling vorbei. Denn er ist ein Maler, der sich des Mittels der Fotografie bedient. Aus dieser Perspektive gibt es eigentlich keine Fotografie, die durch eine spätere Fotografie abgelöst werden könnte. Denn sie bleibt immer ein Mittel in den Händen des Malers, der mit ihr macht, was er will.
James Welling, Autograph, 30.11. 2013 – 16. 2. 2014, Fotomuseum Winterthur
Der Band James Welling, Monopraph, edited by James Crump with Essays by Mark Godfrey and Thomas Seelig, ist im Verlag aperture erschienen.