Dieses Verfahren erfreut sich immer grösserer Beliebtheit. Wer damit Bekanntschaft macht, entdeckt schnell „the best of two worlds“. Das vielleicht nostalgische Aufleben einer alten Liebe verbindet sich mit den faszinierenden Möglichkeiten modernster Bildbearbeitung.
Es versteht sich nicht von selbst, dass man seine alten Kameras und Objektive wieder hervor kramt, nachdem man die Vorteile der digitalen Fotografie kennen und schätzen gelernt hat. Wozu also diese Umständlichkeit? Die Begründungen dafür sind zu einem Teil technischer Art. Die Daten sprechen für sich. Man kann Auflösung, Schärfe, Farbumfang bzw. Farbtiefe etc. exakt messen. Nur ein Beispiel:
Das Kleinbildformat hat 24 x 36 Millimeter. Der ausgewiesene Experte für Fototechnik Erich Baier rechnet in seinem Buch, „Analog fotografieren, digital verarbeiten“, vor, dass ein Kleinbilddiafilm mit 100 ASA bei einem kontrastreichen Motiv auf über 18 Millionen Bildpunkte kommt. Und das ist noch eine konservative Berechnung. Andere Experten geben höhere Werte an. Selbst im vorsichtig errechneten Fall liegt man also in einem Bereich, den nur wirklich gute und entsprechend teure und oftmals auch unhandliche Digitalkameras erreichen.
Farbnegative statt Dias
Aber man sollte sich auch auf das eigene Bildempfinden verlassen: das „Auge des Betrachters“. Bilder werden gemacht, um angeschaut, und nicht, um gemessen zu werden. Deswegen ist das eigene Empfinden wichtiger als Messergebnisse.
Also kann man einen Versuch wagen. Welchen Film sollte man dazu auswählen? Auch hier gibt es unterschiedliche Expertenmeinungen. Kostengünstig und von den Ergebnissen absolut überzeugend sind niedrig empfindliche Farbnegativfilme – diese Bemerkung soll für den Anfang genügen.
Allerdings muss noch ein Punkt erwähnt werden. Warum Farbnegativfilme, keine herkömmlichen Schwarzweissfilme oder Farbdias? Der Grund liegt darin, dass Farbnegativfilme in dem sogenannten C41-Prozess standardmässig entwickelt werden und es dafür nach wie vor viele Dienstleister gibt. Entsprechend schnell geht das: Lieferung von einem auf den anderen Tag oder gegen Aufpreis sogar in einer Stunde. Und man sollte gleich eine Archivkopie oder zumindest eine Indexkopie mitbestellen. Arm wird man dabei nicht.
Man kann nicht viel falsch machen
Um die Bilder auf dem Film digital verarbeiten zu können, müssen sie gescannt werden. Diese Dienstleistung wird heutzutage vielfältig angeboten, aber sie ist nicht ganz billig. Man wird für den Scan eines Bildes etwa einen Franken rechnen müssen. Also stellt sich die Frage, ob man sich nicht lieber gleich einen eigenen Scanner anschafft.
Das Einzige, was man hier falsch machen kann, ist die Entscheidung für einen preisgünstigen Flachbettscanner. Die Ergebnisse werden nie wirklich überzeugend sein. Ein guter Scan hat 4000 dpi oder mehr. Zum Vergleich: 300 dpi reichen zum Drucken. Aber man muss bedenken, dass die 4000 dpi für die Fläche von 24 x 36 mm gelten. Man braucht also für die Vergrösserung entsprechende Reserven.
Entscheidet man sich für die Anschaffung eines nicht ganz billigen Filmscanners von Nikon, ca. 2500 Franken, hat man nicht nur ein vorzügliches Gerät zur Verarbeitung künftiger Aufnahmen, sondern einen Schlüssel zu allen Bildern, die man in früheren Jahren analog hergestellt hat. Dadurch relativiert sich der Preis erheblich. Aber für erste Experimente kann man Scans als Dienstleistung in Anspruch nehmen.
Es geht los
Jetzt aber endlich die gute alte analoge Kamera in die Hand genommen! Sicher werden sich bei jedem Fotografen andere Gefühle einstellen, aber es sind Vergleiche und Verallgemeinerungen möglich. Der Charme einer mechanischen Kamera erinnert an mechanische Uhren, die lange Zeit keiner mehr haben wollte, aber die heute höchste Wertschätzung finden. Und auch dies sollte einmal gesagt werden: Fotografie bzw. der Akt des Fotografierens ist von höchster Sinnlichkeit. Es geht nicht nur um die technische Präzision des Apparates, sondern im Umgang mit dem Apparat entsteht etwas Besonderes, etwas, das nur mit einem selbst und mit dem Motiv, genauer: der Situation der Aufnahme, einer unwiederbringlichen Situation also, zu tun hat. Man redet heute viel von „Bildsprache“. Müsste man nicht auch einmal von „Kamerasprache“ reden? Was macht die Kamera mit mir, was macht sie in den intimen Momenten der Porträtfotografie?
Der Vergleich mit den Uhren deckt nur einen kleines Spektrum ab und kann sogar in die Irre führen. Richtig ist daran der Charme des Mechanischen, problematisch ist die Tatsache, dass mit diesem Vergleich reine Nostalgie gemeint sein könnte, wie wenn jemand in einen Oldtimer steigt. Dagegen spricht aber die Tatsache, dass die Qualität der analogen Aufnahmen – eine gute Kamera mit entsprechendem Objektiv vorausgesetzt – die der mittleren digitalen Kameras übertrifft und erst von hochpreisigen (semi-) professionellen Kameras erreicht wird. Es geht also um einen technischen Vorteil, den eine mechanische Uhr, so schön sie auch sein mag, niemals haben kann. Denn auch eine teure mechanische Uhr ist nicht genauer als eine günstige Quarzuhr.
Ein anderer Vergleich ist überhaupt nicht naheliegend, bietet aber einen schönen Erkenntnisgewinn: ein Vergleich mit dem Motorrad. Lange Zeit galt das Motorrad aufgrund des Autos für eine überholte Angelegenheit. Dann wurde es wiederentdeckt. Das Motorrad vermittelt nicht nur ein ganz spezielles Fahrerlebnis, sondern verlangt auch ein besonderes Training. Das Motorrad passt mit seinem Risikoprofil eigentlich nicht mehr in die heutige sicherheitsorientierte Zeit. Aber es behält sinen Platz, weil es besondere Erlebnisse beschert. Das analoge Fotografieren ist auch etwas Besonderes, und es enthält viele harmlose und lästige Risiken. Denn mit der analogen Kamera erlebt man Niederlagen, die auf alle Zeiten auf Film festgehalten sind. Digital kann man jeden Irrtum in Sekunden ungeschehen machen.
Wasser, Hemden, Himmel
Es gibt eben nicht nur einen technischen Weg, der mit unbeirrbarer Logik in eine Richtung führt. Hersteller und Verkäufer möchten uns das einreden. Vielleicht müssen wir in der Fotografie erst noch wieder die Freiheit erlernen, spielerischer mit den Entwicklungen umzugehen und auf Geräte zurück zu greifen, die scheinbar völlig „unmodern“ sind. Und es gibt kein „Entweder-Oder“. Selbstverständlich wird man in den meisten Situationen, in denen man analog fotografiert, seine digitale Kamera dabei haben. Man verkauft ja auch nicht sein Auto, nur weil man begeistert vom Motorradfahren ist.
Nimmt man die analogen Bilder in Augenschein, so erkennt man schnell den Gewinn an Präzision. Gerade feine Strukturen, die von den digitalen Kameras bzw. von deren Programmen verwischt werden, erscheinen klar. Achten Sie einmal auf Wasseroberflächen, den Verlauf in der Darstellung von feinen Stoffen wie bei weissen Hemden oder auf Wiesen und Wälder. Auch die Farben sind vielfältiger, was wiederum mit der Abtastung der Farben durch digitale Scanner zusammen hängt.
Die Hybridfotografie bietet noch weitere Vorteile: Die alten analogen Kameras sind in der Regel handlicher als die vergleichbaren digitalen Boliden, und die Bilder sind auf Film gespeichert, also nicht nur als digitale Dateien. Man muss sich also um eine endgültige und sichere Archivierung keine Gedanken machen, sofern man simple Aktenordner besitzt und nutzt. Deswegen ist das Argument, die analoge Fotografie sei langsamer als die digitale, mit Vorsicht zu geniessen. Wenn man alle Arbeitsschritte einrechnet, ist das Ergebnis nicht so eindeutig.
Wovon noch zu sprechen sein wird: das enorme Potential, das die digitale Bildverarbeitung auf Grund des immensen Datenreichtums gescannter analoger Bilder bietet.