Am Euro scheiden sich die Geister, denn zu seiner Rettung gibt es zwei Möglichkeiten: mehr Zwang zum Sparen oder umgekehrt das Öffnen der Geldschleusen zur Belebung der Wirtschaft und zur Sanierung der Staatsfinanzen. In Bezug auf ihr Mitgliederproblem steht die katholische Kirche vor einem ähnlichen Dilemma. Auch hier gibt es zwei Möglichkeiten, nämlich die Wahrung der Tradition oder die Anpassung an das zeitgenössische Lebensgefühl: verheiratete Priester, Frauen in priesterlichen Ämtern, Gottesdienste nach dem Geschmack von jedermann. Mit anderen Worten: Verbilligung der Zugehörigkeit. Kapitalismus und Kirche schwanken zwischen Austerity und Inflation. Die Befürworter der jeweils entgegengesetzten Optionen können fabelhafte Argumente ins Feld führen. Austerity soll das Anwachsen der Schulden stoppen, wie im Himmel so auf Erden. Das Öffnen der Geldschleusen der Staatsbanken und das Abschleifen der Reibungspunkte in der katholischen Kirche sollen die Komfortzonen der verwöhnten Zeitgenossen erhalten oder vergrössern. Geschehe dies nicht, sinke die Akzeptanz unter das lebensnotwendige Mass für Staat und Kirche. Die Gegner der jeweiligen Optionen lassen die Geschichte mahnen: wirtschaftliche Depression, andernfalls Inflation, verknöcherte Orthodoxie oder windelweicher Protestantismus. Aber die Universen des Nichtwissens unterscheiden sich. Denn aus dem Universum der Kirche kann man austreten, aus dem des Staates nicht. - Wer es fassen kann, der fasse es! (Matthäus 19, 12) (Stephan Wehowsky)