Seit Jahren finden zwischen Israel und der PA (Palestinian Authority) Verhandlungen statt, durch die ein Friedensvertrag zwischen den beiden Völkern, den Israelis und den Palästinensern, erreicht werden soll. Seit über zwei bis drei Jahrzehnten reden die zwei Partner sogar direkt miteinander – erreicht wurde bisher jedoch nichts. Warum?
Die palästinensische und arabische Feindschaft gegenüber Juden ist alt. Die heutige "moderne" Variante stammt aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und wurde von der Muslimische Bruderschaft Ägyptens begründet. Hassan Al-Banna und Sayyid Qutb kopierten fast von Beginn an die Thesen des von ihnen bewunderten Hitler. Ihre heutigen Nachfolger ist vor allem die Hamas in der Westbank und Gaza.
Extremistische Ideologen auf beiden Seiten
Geändert hat sich die Situation inzwischen nur in soweit, dass dieser Hass Ausdruck von noch intensiverer Religiosität geworden ist. Immerhin gib es heute einen Friedenswillen arabischer Politiker, die aus Furcht vor der iranischen Gefahr bereit sind, sich sogar mit dem "Teufel" zu verbrüdern, Israel. Israel wurde, inoffiziell natürlich, zum zweitschlimmsten Feind der arabischen Welt relegiert – eine leichte Veränderung politischer Fantasien, wie sie nur in der arabischen Welt möglich sind. Aber immerhin ein Fortschritt auf dem Weg zur Friedensbildung zwischen Juden und Arabern. Geliebt werden Juden deshalb noch lange nicht.
Auch in Israel und unter Juden der Diaspora änderte sich die politische Sicht und bei Einigen wurde die Sehnsucht nach Frieden einer neuen Gewichtung unterzogen. Durch die Besetzung der Westbank in 1967 und die darauf erfolgende Besiedelung arabischen Landes wurden Tatsachen geschaffen, die heute nur mittels immensen israelischen Konzessionen rückgängig gemacht werden können.
Heute scheinen sich die Ideologien auf beiden Seiten in ihrem Totalitarismus immer ähnlicher zu werden: Hier die Israelischen Siedler und ihre Hintermänner und dort die palästinensische Vorstellung eines Palästinas, das sich bis zum Mittelmeer ausdehnt. Wenn man sich erinnert, dass israelische Regierungen seit Staatsgründung mit den feindlichen Nachbarn das Gespräch suchten, welches stets nachdrücklich verweigert wurde, finden sich heute israelische "Falken", denen ein Nebeneinanderleben mit den Palästinensern ein Dorn im Auge ist. Die Tatsache, dass eine Annektierung der Westbank innert weniger Jahrzehnte zu einer arabischen Mehrheit in "Grossisrael" führen würde – das Ende des Staates der Juden - wird verdrängt. Diesen Juden scheint es egal zu sein, dass Israel wirklich zu einem Apartheidstaat würde.
Man soll nicht über ein fremdes Volk herrschen
Ein weiterer ebenso wichtiger Grund, das vorhandene Land mit den Palästinensern zu teilen, ist ethischer Natur – es darf nicht angehen, über ein fremdes Volk zu herrschen, etwas das ich als zutiefst unjüdisch empfinde, auch wenn die Frage im Raum stehen bleibt, warum Israel arabische Bürger haben darf, aber in Palästina angeblich keine Juden leben sollen. Den grundsätzlichen Unterschied zwischen Israel und seinen palästinensischen Gegner gilt es trotzdem zu betonen: In Israel bestehen grosse und aktive Gruppen, wie "Frieden Jetzt", die politische Partei Meretz und grosse Teile der Arbeitspartei, die mit ihrer Tätigkeit und ihren Demonstrationen von Hunderttausenden von Teilnehmern der Welt beweisen, dass sie tatsächlich für Frieden engagieren, ohne extremistisch die Situation ausschliesslich Israel anzulasten. Ein palästinensisches Gegenstück dazu gibt es nicht, wenige arabische Individualisten, vorwiegend im westlichen Ausland lebend, sind die Ausnahme.
Die Verheissungen der israelischen Unabhängigkeitserklärung
In der israelischen Unabhängigkeiterklärung vom 14. Mai 1948, einem Dokument von tiefstem Humanismus, geschrieben mitten im von den Arabern begonnenen Krieg, stehen unter anderem folgende zwei Abschnitte:
"Wir wenden uns - selbst inmitten mörderischer Angriffe, denen wir seit Monaten ausgesetzt sind - an die in Israel lebenden Araber mit dem Aufruf, den Frieden zu wahren und sich auf Grund voller bürgerlicher Gleichberechtigung und entsprechender Vertretung in allen provisorischen und permanenten Organen des Staates an seinem Aufbau zu beteiligen."
"Wir bieten allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden den und guter Nachbarschaft und rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe mit dem selbständigen jüdischen Volk in seiner Heimat auf. Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag bei gemeinsamen Bemühungen um den Fortschritt des gesamten Nahen Ostens zu leisten."
Dem gegenüber steht der arabische Angriff auf Israel (1947/48) mit dem Ziel, den soeben entstandenen Staat im Keim zu zerstören, denn die arabische Welt lehnte die UNO-Resolution 181, die einen jüdischen und einen arabischen Staat in Palästina beschloss, ab. Damit wurde eine Tradition gründend, mit der von allen Beteiligten, je nach politischer Wetterlage, UNO-Resolutionen ignoriert wurden. 1967, nach der totalen arabischen Niederlage im Sechstagekrieg folgten die "drei Neins" von Khartum, der "psychohygienische" Krieg Ägyptens und Syriens am Jom Kippur 1973. Danach Friedensverträge mit Ägypten und Jordanien, Frieden mit den jeweiligen Herrschern dieser zwei Staaten, der jedoch von ihren Völkern bis heute nicht mitgetragen werden.
Netanyahus Unglaubwürdigkeit
Nachdem sämtliche Friedensvorschläge, die Israel den Palästinensern vorlegte und die von diesen abgeschmettert und mit Terror beantwortet wurden (Intifada 2), nachdem Israel den Gazastreifen verliess und dafür mit Tausenden von Raketen beschossen wurde, scheint sich der Wunsch nach Frieden bei einem Teil des israelischen Volkes etwas relativiert zu haben. Man wurde kritischer und das Resultat waren Parlamentswahlen, bei denen linke Parteien wie die Arbeitspartei und Meretz Niederlagen einstecken mussten und einen grossen Teil ihrer Relevanz verloren. Rechtsextremistische und andere Parteien rechts der Mitte kamen so an die Macht.
Heute fragt man sich, wie weit es sich Ministerpräsident Benjamin Nethanyahu leisten kann, einen Aussenminister wie Avigdor Lieberman, der mit seinen stalinistischen Eskapaden das Land blamiert, in seiner Regierung zu halten. Die einzige sinnvolle Antwort darauf ist die schlichte Erkenntnis, dass Nethanyahu selbst an einem Frieden nicht interessiert ist und nicht über den Schatten seiner Ideologie springen kann. Wäre es nicht so, hätte er schon längst seine rechtsextremen und extrem orthodoxen Regierungspartner fallen lassen und wäre eine Koalition mit der moderaten Kadima Partei Zippi Livnis und der Arbeitspartei Ehud Baraks eingegangen.
Abu Mazen schlug Israel kürzlich vor, zu den Grenzen von 1967 (die Grüne Linie, die eigentlich die Waffenstillstandsgrenze von 1948 ist) zurückzukehren – dann sind wir im Geschäft, meinte er. Nethanyahu trat darauf nicht ein, ein Fehler, der seine Unglaubwürdigkeit unterstreicht. Israel sollte den Beweis der Friedensablehnung den Palästinensern überlassen. Doch nun liegt auf einmal das Stigma der Friedensverweigerung auf Israel – ein Novum. Bisher bewies stets die jeweilige palästinensische Führung ihre Unfähigkeit, einen Frieden mit Israel wirklich zu wollen. Die israelischen Angebote von Camp David, Taba und Sharm El-Sheikh, die umfassenden Vorschläge des Ehud Olmert – alles enorme Zugeständnisse an die Palästinenser, wurden bestenfalls ignoriert, meist gewaltsam abgeschmettert. Friedensverhandlungen wurden zum Selbstzweck.
Verpasste Chancen der Palästinenser
Israel muss alles unternehmen, um sich nicht als offensichtlicher Friedensgegner zu erweisen. Die Sicht des Westens auf das Geschehen im Nahen Osten wird zwar weitgehend von palästinensischer Propaganda und Manipulation gesteuert – palästinensische Manipulationstalente sind ungleich grösser und erfolgreicher, als palästinensische Suche nach Frieden. Denken wir an das zehnmonatige Einfrieren der Bautätigkeit in der Westbank durch Israel. Die PA hat diese Zeit vollständig vertan, Nichts wurde getan, nichts erreicht, die baufreie Zeit wurde zum puren Selbstzweck, um zehn Monate über eine Verlängerung zu diskutieren. Mehr nicht.
Es ist tatsächlich an der Zeit, dass nicht nur von Israel vertrauensbildende Massnahmen verlangt werden, sondern auch von der PA. Etwa die Befreiung des Gil'ad Shalit, das Beenden der antisemitischen Hirnwäsche in palästinensischen Schulen, die Auflösung der als Freiheitskämpfer getarnten Verbrecherbanden in der Westbank und Gaza – man könnte eine lange Liste erstellen.
Eine mögliche Einigung zwischen Israel und Palästina ist möglich – doch beide Parteien müssen die notwendigen Verzichte leisten wollen, ein ideologisches Unterfangen. Die ganz grosse Frage bleibt jedoch offen: welche Lehren wird Israel aus seinen Erfahrung aus dem Abzug aus dem Libanon und seinem Abzug aus Gaza ziehen – beides Erfahrungen, die schlechter nicht hätten sein können. Israel stand nach diesen Rückzügen für lange Zeit unter Raketenbeschuss, bis es die Geduld verlor und Hizbollah und Hamas, vorläufig wenigstens, zum Schweigen brachte. Es wurde jedem, der es sehen wollte, klar, dass israelische Zugeständnisse von den Palästinensern grundsätzlich als Schwäche angesehen werden. Ob diese Rückzüge mit den betroffenen Regierungen hätten abgesprochen werden sollen? Dieses Argument hört man auch heute noch, ist völlig irrelevant und dient als Ausrede, Israel weiterhin attackieren zu dürfen.
Keine Lösung ist risikofrei
Eine unabhängige Westbank könnte, allfällige Abkommen hin oder her, zur Basis für Raketenangriffe auf ganz Israel werden, der, wie alles in Israel, grenznahe interkontinentale Flughafen Ben-Gurion und an- und abfliegende Verkehrsflugzeuge wären ein leichtes Ziel. Dasselbe gilt für Israels Grossstädte. Die Frage stellt sich Jedem, der sich mit der Materie befasst: wie bringt man einen, von muslimischen Extremisten mitregierten Nachbarstaat dazu in Frieden neben Israel zu existieren?
Auch wenn man, wie ich, die Zweistaatenlösung sucht, jüdische Siedler abziehen will und einen (in den ersten Jahrzehnten demilitarisierten) palästinensischen Staat begrüsst, die Sicherheit Israels mitten in einer Nachbarschaft grundsätzlicher Feindschaft bleibt das grosse Dilemma für den Staat der Juden, das dieser nicht allein lösen kann.
(Der Autor ist 1937 in Zürich geboren. Er absolvierte eine Buchhändlerlehre bei Emil Oprecht in Zürich. Rekrutenschule in der Schweiz, dann Mitglied eines Kibbuz in Israel, dort auch Militärdienst, später beruflich wieder in der Schweiz tätig, seit 2000 erneut wohnhaft in Israel. Russak schreibt einen eigenen Blogg und engagiert sich für die Kunstgallerie eines palästinensischen Freundes in Um al-Fahm.)