Owohl der Bürgerkrieg seit Mai 2009 mit dem Sieg der Singhalesischen Regierung und der Niederlage der terroristischen Befreiungsbewegung der Tiger von Tamil Eelam zu Ende ging, prägen noch immer schwer bewaffnete Soldaten das Strassenbild. Nicht von ungefähr. Denn hier im Zentrum von Anurhadapura ereignete sich vor fast dreissig Jahren Schreckliches.
Ein Bus aus dem Norden Sri Lankas steuerte damals in die zentrale Bushaltestelle. Nach stundenlanger Fahrt verliessen die Passagiere den Bus. Mit ihnen entstiegen, zunächst ganz unauffällig, siebzehn Tamilen – von den Singhalesen nur schwer zu unterscheiden – den Bus und verteilten sich auf dem Platz. Die siebzehn Tamil Tigers zogen ihre Waffen und schossen wild um sich. 132 Menschen starben, die meisten davon Kinder. Das war der Anfang eines Bürgerkieges, dem bis zum Sieg der singhalesischen Regierung 2009 ueber 80 000 Menschen zum Opfer fielen.
Das Volk zahlt die Zeche
Die terroristischen Freiheitskämpfer – die Tamil Tiger – kämpften für einen eigenen Staat im Norden und Osten der Insel, die einst Ceylon hiess, von Marco Polo im 13. Jahrhundert als Paradies auf Erden gepriesen und von den Engländern im 19. Jahrundert zu einem kolonial-wirtschaftlichen Kronjuwel – hauptsächlich Tee – geschliffen wurde. Sicher, die singhalesische Mehrheit beziehungsweise die Regierung hat seit der Unabhängigkeit 1948 vieles getan, um die tamilische Minderheit zu benachteiligen oder einzuschüchtern. Doch erst der Terroranschlag von Anurhadapura vergiftete das Verhältnis der singhalesischen Mehrheit (75 Prozent) zur tamilischen Minderheit (18 Prozent). Wie immer in einem Bürgerkrieg eskalierte auf beiden Seiten die Gewalt. Die Zeche bezahlte das Volk.
Die Tiger von Tamil Eelam, die sich im Ausland gerne als idealistische Freiheitskämpfer profilierten, schreckten von nichts zurück. Selbstmordattentate, Zivilisten als Schutzschilder und Erpressung von Geldern bei Auslandtamilen, auch in der Schweiz. Die Armee von Sri Lanka andrerseits ging im Kampfeinsatz mit äusserster Brutalität vor. So ist der Krieg. In Sri Lanka, Afghanistan, Irak, wo immer. Alles andere ist Lug und Trug.
Im Alltag kein Problem zwischen den Minderheiten
In Anurhadapura und anderswo in Sri Lanka ist heute, übrigens wie während des ganzen Bürgerkrieges, das Verhältnis im alltäglichen Leben von Singhalesen und Tamilen und somit von Buddhisten und Hindus ohne Probleme. Auch die christliche und moslemische Minderheit fügt sich nahtlos ins friedliche Bild. Von einer offiziellen Versöhnung zwischen Singhalesen und den Tamilen im Norden ist man freilich derzeit noch weit entfernt. Das Verhältnis von Singhalesen und Tamilen in nur wenigen Monaten zu reparieren, ist unmöglich.
Der Konflikt reicht tief in die Vergangenheit zurück. Das Königreich von Anurhadapura ist in der Weltgeschichte eine Ausnahme, denn es existierte als buddhistisches Reich vom 4. Jahrhundert vor unserer Zeit rund vierzehnhundert Jahre lang. Doch schon damals hatte es sich immer wieder gegen Einfälle aus dem Norden, aus Indien zu wehren. Der Gegensatz Singhalesen-Tamilen und Buddhisten-Hindus ist mithin uralt und nicht wie oft kolportiert ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit. Die „Hügel“- oder „Plantagen-Tamilen“ nämlich, die von den Briten im 19. Jahrhundert als Arbeiter zunächst für die Kaffe- und dann für die Teeplantagen nach Ceylon gebracht worden sind, hatten mit dem Bürgerkrieg im Gegensatz zu den „Ceylon-Tamilen“ wenig zu tun. Die Tiger von Tamil Ealam beriefen sich bei ihrer Forderung nach einem unabhängigen Staat auf ein Tamil-Reich, das im 12./13. Jahrhundert auf Sri Lanka existiert hat.
Heute herrscht in Anurhadapura friedlicher Alltag. Auch Touristen finden sich wieder ein. Das kulturelle Dreieck Anurhadapura-Polonnaruva-Sigiriya ist im Ausland wenig bekannt. Leider, denn es braucht keinen Vergleich zu scheuen mit Angkor Wat in Kambodscha, Pagan in Burma/Myanmar oder Borobudur in Indonesien. Ein Weltwunder also.
Peter Achten aus Fernost_04: Made in Nordkorea II
Peter Achten aus Fernost_02: Made in Norkorea