Wenn ich im grauen Paris nicht mehr über die Homo-Ehe, die Jugendarbeitslosigkeit, das neue "Diktat" aus Brüssel für Hollande und die Versteigerung der Elysée-Weine (die ein bescheuerter Politologe wegen der chinesischen Kunden als "planetarische Erniedrigung" beweint hat) lesen und schreiben will, bleibt als - trügerische - Ausflucht zum Beispiel das Philosophen-Kino im 13. Arrondissement. Philosophen-Cafés gab es schon immer, aber das ist neu. Ein relativ junger Philosophie-Professor, Ollivier Pourriol, sublimiert seinen gescheiterten Ehrgeiz als bewanderter Kinofan und weniger begabter Medienstar in den hochinteressanten pädagogischen Versuch, vor einem jungen Publikum Ausschnitte aus Filmen mit philosophischen Texten zu konfrontieren. "Die List der Vernunft", hätte vielleicht Hegel gesagt. Denn die Auswahl der Filme - Spider-man, Batman, X-men, Matrix, Hulk und etc. in diesem Register - kontrastiert sehr mit den Philosophen Hobbes, der den "Krieg aller gegen alle" sah, und Rousseau, der den Menschen - im Gegensatz zu seinem eigenen Leben - als von Natur aus "gut" fand und schliesslich mit Foucault (gestorben 1984), der auch aus persönlichen Gründen überall Unterdrückung witterte. Warum keine "guten" philosophischen Filme, wie etwa Godard sie machte? Zu langweilig, zu kompliziert für die Jugend, zweifellos. Hingegen lehrte der Philosoph die Jungen, ihre Lieblingsfilme genauer zu sehen, aber weniger die Philosophie. Hobbes hat wieder einmal gewonnen, aber Rousseau - ein halber Schweizer - bleibt das Ideal. Immerhin waren sich beide einig über den kleinsten gemeinsamen Nenner: etwas Ordnung muss sein. Für die Konsequenzen, siehe oben. (Ulrich Meister, Paris)