Der liberal-konservative Amtsinhaber Bronislaw Komorowski hat Andrzej Duda bereits gratuliert.
Schon der erste Wahlgang vor zwei Wochen endete mit einer Überraschung. Duda belegte mit 34,8 Prozent den ersten Platz. Der Vorsprung auf Komorowski betrug allerdings nur ein Prozent. Die eigentliche Sensation schaffte ein Aussenseiter, der radikale rechtspopulistische Rocksänger Pawel Kukiz mit 20,8 Prozent der Stimmen (vgl. Journal21 vom 12. Mai)
Dies verursachte bei den beiden Hauptrivalen und ihren Wahlstäben einen Schock. Beide versuchten, auf der Kukiz-Welle mitzusurfen. Komorowski gratulierte Kukiz noch vor Duda und kündigte umgehend eine Gesetzesinitiative an, um über ein System von Direktmandaten abzustimmen, einer Hauptforderung von Kukiz.
Auch Duda hofierte Kukiz und versuchte sich als Kandidaten zu verkaufen, der eine grundlegende Wende bringe. Im Gegensatz zu Komorowski akzeptierte er eine Einladung von Kukiz, sich mit seinem Rivalen zu duellieren, mit Kukiz als „Moderator“ und unter Beteiligung seiner meist jungen Wähler. Kukiz hatte bei den 28-29-Jährigen gemäss Exit Poll satte 41 Prozent erzielt.
Seit den ersten freien Wahlen 1991 - auf dem Höhepunkt des turbulenten, sozial einschneidenden Transformationsprozesses - hatte kein Aussenseiter mehr ein so gutes Resultat erreicht. Dies zeigt die weit verbreitete Unzufriedenheit mit den gesamten Politestablishment. Nur rund ein Viertel identifiziert sich mit einer Partei, in Westeuropa sind es im Schnitt doppelt so viele. Die Wahlbeteilung war mit knapp 48 Prozent auch so tief wie noch nie.
Erbitterte Wahlschlacht
Die neue Ausgangslage machte die Wahlen spannend. Herausgefordert war vor allem der angeschlagene Komorowski, der lange wie der sichere Sieger ausgesehen und einen schwachen Wahlkampf gezeigt hatte. Er versuchte mehr Volksverbundenheit zu demonstrieren. Bei zwei „spontanen“ Spaziergängen im belebten Zentrum Warschaus machte er allerdings keine gute Figur. Zuschauer bemerkten etwa, dass Komorowski eine „Ratgeberin“ hinter sich hatte, die ihm bedeutete, er solle eine invalide Rentnerin umarmen. Umfragen nach dem ersten Wahlgang ergaben für ihn einen Rückstand von 4 - 5 Prozenten gegenüber dem jüngeren und dynamischer auftretenden Duda. In der letzten Woche konnte Komorowski wieder zulegen und die Umfragen zeigten ein Kopf-an-Kopf Rennen an.
Eine wichtige Rolle dürften die TV-Debatten vom Sonntag - mit über 10 Millionen Zuschauern - und vom Donnerstag gespielt haben. Schon beim ersten Duell schonten sich beide Kandidaten nicht. Duda agierte aggressiver und etwas ungeschickter. Aber beide hatten ihre starken und schwachen Momente. Beim zweiten Duell gab sich Duda moderater, Komorowski angriffiger. Duda betonte mehrmals, dass er auf die Stimme des Volkes höre, die er bei seinem langen Wahlkampf durch ganz Polen schätzen gelernt habe. Er gab sich auch aussenpolitisch moderat, das Volk wolle vor allem „Frieden und Ruhe“.
Noch am letzten Wahlkampftag versuchten beide Punkte zu ergattern. Duda verteilte schon früh am Morgen im Bahnhof von Katowice Brötchen, bevor er zu einer letzten Parceforce-Tour ansetzte und sich auch auf dem Lande mit Bauern traf. Komorowski zeigte sich im symbolträchtigen Danzig, publikumswirksam mit seiner rüstigen 90- jährigen Mutter, bevor er weitere Städte im Norden Polens besuchte. Er wirkte dabei aber etwas müde und defensiv. So meinte er auch, man solle nicht nur auf die aktuelle Kampagne schauen, sondern die Gesamtsituation in Rechnung stellen.
Obwohl die Wahlbeteiligung mit 56 Prozent deutlich höher lag als in der ersten Wahlrunde gelang es Komorowski nicht, genügend Wähler für sich zu motivieren. Das faktische Hauptargument, einen Präsidenten aus dem als radikal geltenden PiS-Lager zu verhindern, erwies sich nicht mehr als matchentscheidend - obwohl viele zweifelten, dass Duda aus dem Schatten des mächtigen Parteichefs Jaroslaw Kaczynski treten könne.
Komorowski nützte offenbar auch die Unterstützung prominenter Politiker und Medienleute wenig. So gab etwa der ehemalige postkommunistische Präsident Aleksander Kwasniewski für Komorowski eine Empfehlung ab, er sei in diesen unsicheren Zeiten als erfahrener Politiker die bessere Wahl. Auch Kuba Wojewodzki, ein umtriebigen Medienstar, rief zu seiner Unterstützung auf. Er hatte wesentlich zum Aufstieg von Outsider Kukiz beigetragen, einem persönlichen Freund, den er in seine Sendung eingeladen hatte und den er offen zur Wahl empfahl. Das gleiche tat er nun mit Komorowksi. Bei allen Vorbehalten gelte es ihn zu unterstützen, um ein bigottes, staatsgläubiges und nationalistisches Polen zu verhindern. Kukiz selber gab keine Wahlempfehlung, aber äusserte sich über Duda weniger negativ als über Komorowski.
Nicht nur Personenwahl, auch Richtungswahl
Obwohl beide Kandidaten versuchten, sich als „unabhängige“ Persönlichkeiten zu verkaufen, wurden sie als Vertreter der wichtigsten Parteien betrachtet. Seit die durch Affären abgehalfterte sozialdemokratische SLD 2005 die Macht abgeben musste, bekämpfen sich „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) von Andrzej Duda und „Bürgerplattform“ (PO) von Komorowski nicht nur als politische Konkurrenten, sondern als eigentliche politisch-gesellschaftliche Lager. Die Spaltung reicht bis weit in die Kulturszene hinein.
Zuerst konnte die PiS mit einer bunt zusammengewürfelten Koalition die Regierung stellen. Sie zerbrach aber bald an internen Konflikten und am Widerstand gegenüber dem eingeschlagenen radikalen Kurs. Die PO konnte so 2007 die Regierungsmacht erringen und sie bei den Parlamentswahlen vor vier Jahren klar verteidigen.
Die PO sieht sich als eine Mitte-Partei, die Polen weiter modernisieren will. „Polska rationalna“ ist eines ihrer Schlagwörter. Sie tendiert wirtschaftlich-sozial eher nach rechts, besetzt aber gesellschaftspolitisch moderat liberale Positionen. Sie gilt vor allem als Vertreterin der urbanen Mittelklasse.
Die PiS hingegen steht für eine radikale Wende, für einen „Neuaufbau“ Polens. Sie ist gesellschaftspolitisch rechtsnational und (katholisch)-traditionalistisch positioniert und wirtschaftlich-sozial eher „links“ bzw. etatistisch ausgerichtet. Sie hat ihre Basis vor allem in den wirtschaftlich schwächeren Provinzen und bei den traditionalistischen Katholiken.
Die PO hat sich in ihrer Machtposition abgenutzt, nicht zuletzt aufgrund von Affären, wenig populären Reformen wie der Heraufsetzung des Rentenalters und ungeschicktem Verhalten gegenüber Protesten von Bergarbeitern und Krankenschwestern. Diesen April hielten sich Gegner und Befürworter der Regierung mit je rund einem Drittel die Waage. Mit der Nichtwahl Komorowskis wollten sicher auch viele Unzufriedene der PO einen Denkzettel verpassen.
Wie 1995 – damals verlor Lech Walesa gegen den SLD-Kandidaten Kwasniewksi - könnte der Erfolg Dudas einen Machtwechsel vorbereiten. Agiert er und die PiS weiterhin moderat, - er hat bereits im ersten Statement betont, er sei zum Dialog mit allen bereit, ist bei den Parlamentswahlen im Oktober eine neue Konstellationen denkbar. Es könnte durchaus wieder zu einer PiS-Regierung kommen mit Kukiz Bewegung als Königsmacher. Allerdings wären Konflikte programmiert, da Kukiz eine zwar radikale nationale, aber auch antietatistische „freiheitliche“ Rechte vertritt. Polen erwarten wieder unruhigere Zeiten.