Der Vertrauensverlust der Banken ist chronisch geworden. Im Grunde gilt das auch für die Kirchen, aber gerade in den vergangenen Wochen gab es neue Schlagzeilen: die Eskapaden des Bischofs von Limburg. Seine Bauten wurden zum Symbol für kirchlichen Grössenwahn. Das gab dem Thema zusätzliche Aktualität.
Der Abt und das Raubein
Man durfte gespannt sein: Würden der Manager und der Abt mehr zu sagen haben als die üblichen Phrasen, die das Vertrauen in ihre Institutionen eher untergraben als stützen? Den Anfang machte der Abt. In wohlgesetzten Worten bekräftigte er das, was alle Geistlichen bekräftigen: den Wert des Zuhörens, der Kommunikation, der Wahrheit und des Eingestehens von Fehlern. Die zahlreichen Zuhörer hörten das gern.
Dann aber Oswald Grübel. Als Sympathieträger hat ihn noch niemand bezeichnet. Sein harter Sanierungskurs bei der Credit Suisse war umstritten und sein Abgang bei der UBS nach einem Milliardenverlust wegen eines Betrugsfalls nicht gerade ein Ruhmesblatt. Ein echtes Raubein nach dem sanftem Abt.
Transparenz schadet dem Vertrauen
Aber er machte seine Sache gut und schaffte es, schon nach kurzer Zeit auch bei denjenigen Sympathien zu gewinnen, die nicht aus der Wirtschaft kamen. Am Anfang spielte er die ironische Karte: Das Vertrauen in die Banken sei zwar perdu, aber man hoffe immer noch, doch wenigstens sein Geld wiederzusehen. Damit hatte er das Problem auf den irreduziblen Punkt gebracht und einen ersten Lacherfolg provoziert.
Dann aber stellte er Thesen auf, die für die weitere Diskussion fruchtbar waren. Vertrauen habe auch damit zu tun, dass wir nicht alles über diejenigen, denen wir vertrauen, wissen. Die Banken seien früher im Prinzip auch nicht besser als heute gewesen, aber das Publikum habe weniger über sie gewusst. Die heutige Forderung nach Transparenz schaffe nicht mehr, sondern weniger Vertrauen.
Geld zieht die falschen Leute an
Dieser Prozess des Vertrauensverlustes durch immer mehr Wissen über die Vorgänge bei den Banken werde durch die Technik vorangetrieben. So sei das Bankgeheimnis nicht erst durch politische Beschlüsse aufgehoben worden, sondern schon längst durch den technisch ermöglichten Zugriff auf alle Informationen seitens der zahllosen Mitarbeiter zur Illusion geworden.
Überhaupt die Mitarbeiter: Es sei nicht möglich, Zehntausende von Mitarbeitern weltweit persönlich zu kennen, zu führen und zu kontrollieren. Also werde immer mehr Technik eingesetzt. Dieser Prozess stehe erst an seinem Anfang. Das Vertrauen werde auf die Technik verlagert – auf Kosten des Vertrauens in Menschen.
Als Führungskraft habe er immer wieder erlebt, dass er im Prinzip den ganzen Tag nur Probleme und schlechte Nachrichten zu bewältigen hatte. Dazu brauche man eine innere Balance. Zu dieser Balance gehöre das Vertrauen zu den Mitarbeitern. Da „Geld auch die falschen Leute anziehe“, gebe es unter ihnen auch Betrüger und Menschen ohne Ethik, aber dies sei nicht die Regel. Wenn eine Führungskraft seinen Mitarbeitern nicht mehr mit der Haltung des Vertrauens entgegentreten könne, sei alles vergeblich.
Pressebeschimpfung
Wo aber finden wir nun diejenigen, deren ganzes Sinnen und Trachten auf die Zerstörung von Vertrauen ausgerichtet ist? Wenn das Hauptproblem nicht betrügerische Banker sind, wer ist es dann? Die Technik, die Grübel erwähnte, kann als solche kein Vertrauen zerstören, denn es sind immer Menschen, denen der Bruch von Vertrauen vorgeworfen wird. Wer gehört in den Augen Oswald Grübels auf die Anklagebank?
Die Presse. Es sei die Presse, so schimpfte er, die sich Opfer suche, sie verurteile, und wenn das Opfer in den einschlägigen Kampagnen vernichtet sei, „gehen die Medien weiter und suchen sich das nächste Opfer“.
Der Abt in Hochform
Das waren starke Worte und Thesen. Als dritter Redner war Bernhard Bauhofer geladen, der nach zahlreichen Stationen in Unternehmen nun als systemischer ethischer Berater fungiert. Er erklärte, dass die grösste Gefahr für grosse Institutionen wie Kirchen und Banken nicht von aussen, sondern von innen käme. Prunksucht, exorbitante Managerlöhne und Gewinnmaximierung höhlten die Institutionen aus. Das Gute daran aber sei, dass dadurch ein Veränderungsdruck erzeugt werde, der am Ende auch zur Rückkehr des Vertrauens führe.
Gegen diese These konnte niemand etwas haben. Dass aus dem Schlechten irgendwann wieder etwas Gutes kommt, hört man schliesslich gern. Dagegen war die Presseschelte von Oswald Grübel und seine Behauptung, dass Transparenz dem Vertrauen schade, eine Provokation. Die führte dazu, dass der Abt zu Hochform auflief.
Schwächen zugeben
Die Presse, so Werlen, erfülle nur ihre Aufgabe, wenn sie auf Missstände hinweise. Früher hätten die Verantwortlichen in den Presseunternehmen viel zu sehr mit den Mächtigen in der Wirtschaft gekungelt. Das sei nun glücklicherweise vorbei. Und was den Fall des Bischofs von Limburg angehe, so sei es nur richtig, dass die Presse seinen Erstklassflug nach Indien und seine exorbitanten Baukosten angeprangert habe. Im Übrigen habe der Bischof mit seiner Papstreise nur noch weiteres Vertrauen verspielt: Anstatt vor Ort um Vertrauen zu werben, wolle er es beim Papst holen, als ob dieser von oben Probleme lösen könne, die allein Sache der örtlichen Kirchen seien.
Und was die Transparenz angehe: Hätte Tebartz van Elst gleich seine Fehler wie den Erstklassflug zugegeben, hätte sich die Presse schnell beruhigt. Überhaupt sei es gegenüber der Öffentlichkeit essentiell, auch Schwächen zuzugeben. So sei auf den Websites der Kirchen zum Beispiel im Zusammenhang mit den Missbrauchsskandalen viel Selbstkritisches zu lesen gewesen. Die Banken aber hätten selbst im Krisenjahr 2008 auf ihren Websites nie Hinweise darauf gegeben, dass sie in eine Schieflage geraten seien.
Die "Goldene Regel"
Das gehe auch gar nicht, konterte Grübel. Nicht einmal CEOs dürften bei Problemen öffentlich ein Sterbenswörtchen davon verlauten lassen. Denn wenn sie mit ihren „forward looking statements“ negative Börsenreaktionen oder Gewinneinbrüche provozierten, könnten sie im Gefängnis landen.
Und Grübel beharrte darauf, dass alle weiteren staatlichen Massnahmen zur Transparenz Vertrauen untergraben und alle Massnahmen zur Bankenregulierung Verantwortung unterminieren würden. Denn damit werde Handlungsfreiheit eingeschränkt und am Ende seien alle nur noch bestrebt, Vorschriften einzuhalten, egal, welche Resultate dabei herauskämen.
Einig waren sich aber der Manager und der Abt darin, dass Vertrauen im täglichen Leben unabdingbar sei. In diesem Zusammenhang erinnerte Werlen an die "Goldene Regel", die alle grossen Religionen teilen würden: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“ Und so nahm die Diskussion unter lebhafter Publikumsbeteiligung ein einvernehmliches Ende.