In den wenigen Jahren seiner Existenz hat der Euro einen Schaden angerichtet, den man sonst nur mit einem mittleren europäischen Krieg hinkriegt. In den noch weniger Jahren ihrer Existenz haben die europäischen Rettungsschirme einen Schaden angerichtet, den man sonst nur mit ausführlichen Flächenbombardements hinkriegt. Dabei kommt das dicke Ende erst noch.
Momentaufnahme
Nehmen wir den soweit normalen Montag, 23. Juli 2012. Börsenabstürze (der deutsche Dax minus 3,2 Prozent, die Börse in Athen minus 7 Prozent). In Spanien fordern die ersten Provinzen finanzielle Nothilfe vom Staat. Bankaktien kommen weltweit unter Druck, das UBS-Papier ist mal wieder weniger als 10 Franken wert. In Italien ist es fraglich, ob im Süden einige Schulen nach den Sommerferien wieder eröffnet werden können - Geldmangel.
Und Deutschland bekommt Geld dafür, dass es Geld aufnimmt, während 10-jährige spanische Staatsschuldpapiere auf mörderische Zinssätze von über 7,5 Prozent steigen. Griechenland wird es nicht über den Sommer schaffen, wenn nicht subito weitere Zusatzmilliarden Nothilfe gewährt werden. Was endlich immerhin fraglich ist.
Also eigentlich ein ganz gewöhnlicher Wochentag nach dem nun aber allerletzten Krisengipfel, der nach bedauerlichen Fehlschlägen seiner Vorgänger grundsätzlich und für mindestens die nächsten fünf Jahre alle Probleme aus der Welt geräumt hat. Ein ganz gewöhnlicher Montag nach einem Freitag, an dem ein neues Rettungspaket von immerhin 100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht wurde, das ja wirklich mehr als ausreichend war, um wenigstens Spanien wieder auf den richtigen Weg zu bringen.
Schamlosigkeit
Das alles ist das Resultat einer wohl inzwischen historisch einmaligen Unfähigkeit der Regierenden. In unheiliger Allianz mit dem Finanzsektor, also mit der kriminellen Vereinigung der wichtigsten Grossbanken, haben sie Privatschulden vergesellschaftet, Staatsschulden europäisiert und mit einer unüberblickbaren Anzahl von Wortbrüchen das Vertrauen ihrer Untertanen weitgehend verspielt. Wie das Amen in der Kirche folgen nach inzwischen 19 Krisengipfeln in zweieinhalb Jahren, vom ESM und ingeniösen weiteren Rettungspaketen ganz zu schweigen, die nächsten Katastrophen.
Aber eins muss man den Eurokraten lassen, an Schamlosigkeit sind sie nicht zu überbieten. Unerschütterlich verkünden sie mitten im absaufenden Euroland, dass sie alles im Griff hätten, ihre Politik weiterhin alternativlos sei und sowieso das Merkel-Unwort gelte: Fällt der Euro, fällt Europa. Dabei ist es sonnenklar: Europa fällt über den Euro.
Plan B?
Von Staatenlenkern könnte man ja zumindest erwarten, dass sie allenfalls auch einen Plan B zur Hand hätten, wenn Plan A offensichtlich und mit Anlauf und völlig vorhersehbar in einem krachenden Desaster endet. Zitieren wir dazu den Wirtschaftsminister des stärksten Eurolands, Philipp Rösler: «Für mich hat ein Austritt Griechenlands längst seinen Schrecken verloren.» So spricht das Mitglied einer Regierung, die noch bis gestern der alternativlosen Gewissheit war, dass Griechenland niemals aus dem Euro oder der EU aussteigen wird. Einer Regierung, die ein Rettungspaket nach dem anderen durch den deutschen Bundestag jagte. Einer Regierung, die bis heute keinen Plan B hat, wie sie, mit oder ohne Schrecken, mit einem Ausscheiden Griechenlands umgehen will.
Plan U?
Heisst der Plan der Eurokraten in Wirklichkeit U für Unfähigkeit oder U für Untergang? Es mag paradox klingen, aber beim Anrichten eines Schlamassels von solchen monströsen Dimensionen sind Zweifel daran erlaubt, ob man das lediglich mit unvorstellbarer Unfähigkeit hinkriegt. Könnte es nicht sein, dass in den geheimen Sitzungssälen, bei den abhörsicheren Videokonferenzen unter den Staatenlenkern langsam eine Stimmung herrscht wie bei den letzten Lagesprechungen im Führerbunker zu Berlin?
Statt über nicht existierende Ersatzheere und die Gewissheit des Endsiegs wird heute einfach über nicht existierende Rettungsmilliarden und die Sicherheit der endgültigen Rettung der Eurozone schwadroniert. Während alle Beteiligten wissen, dass sie Fantasmen nachjagen, während die finanziellen Einschläge immer näher kommen. Leider gibt es aber einen gravierenden Unterschied beim Ende.
Haftungslos und verantwortungslos
Schreckensszenarien wie der Untergang der Staatsmacht als gesellschaftliche Ordnungskraft, Aufruhr, Hungermärsche, militanter Protest, Faustrecht, rechtsfreie Räume sind ja keine Zukunftsfantasien mehr, sondern gehören in Griechenland, Spanien und Teilen Italiens bereits zum Alltag. Und das ist erst der Anfang, wo das alles enden wird, ist nicht absehbar. Eines ist aber klar: Restlos alle, die dafür Verantwortung zu übernehmen hätten, in erster Linie die Regierenden und die bedeutendsten Vertreter des Bankensektors, werden haftungslos und ungestraft davonkommen. Ausser, der Mob lyncht sie auf den Strassen. Auch das ist nicht länger ausgeschlossen.