Das versteht auch jeder Laie (nicht). Gerade musste die Credit Suisse eine weitere Rückstellung in der Höhe von 468 Millionen Franken vornehmen, für mögliche Folgen des Steuerstreits mit den USA. Damit rutscht das vierte Quartal 2013 mit 476 Millionen ins Minus. Das liegt auch daran, dass die CS soeben 900 Millionen in einem Vergleich über den Verkauf von Hypothekschrottpapieren vor der Finanzkrise 1 zahlen musste. Dennoch wurde Dougans Vergütung für 2013 um 26 Prozent aufgestockt, auf 9,8 Millionen.
Aus Minus mach Plus
Die 900 Millionen wurden für Fehlverhalten der CS Investmentbank in den Jahren 2005 bis 2007 fällig. Damals war Dougan deren Chef, bevor er den Sprung ganz nach oben an die Spitze der Bank schaffte und 2010 einen Extrabonus von 71 Millionen kassierte, für sein Wirken in den letzten fünf Jahren. Gleichzeitig stand die CS damals auch in der Schweiz im Feuer der Kritik, weil sie Tausenden von Kunden unter ihrem Logo Lehman-Wettscheine verkauft hatte, die mit der Pleite der US-Zockerbank nahezu wertlos wurden.
Niemand aus der Führungsspitze der CS kam damals auf die Idee, auch nur durch einen Teilverzicht auf den eigenen Bonus das Schicksal von Tausenden von Kleinanlegern zu mildern, die als finanztechnische Laien teilweise um ihre sauer verdienten Lebensersparnisse gebracht wurden.
Zurück in die Gegenwart. 2013 hat die CS ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreicht. Seit April 2009 bis heute haben die CS-Titel 26 Prozent ihres Wertes verloren, ihre Besitzer, die Aktionäre, konnten sich einen Viertel ihres Investments ans Bein streichen. Der direkte Mitbewerber, die UBS, der es 2009 viel dreckiger ging als der CS, hat im gleichen Zeitraum, allerdings von sehr niedrigem Anfangsniveau aus, ihren Besitzern immerhin eine Wertsteigerung von 58 Prozent kredenzt. Ausreichende Gründe, an das Ausrichten einer sogenannten «leistungsbezogenen Sondervergütung» nicht mal zu denken.
Schuld- und verantwortungslos
Wohlgemerkt hat Dougan diese Aufstockung seines Bonus trotz Verfehlen aller Ziele nicht gefordert. Dafür ist der Verwaltungsrat zuständig, der die Angelegenheit an ein «Compensation Committee» delegiert. Aber dessen Entscheidungen werden vom VR abgenickt, und dem steht der ehemalige Hausjurist Urs Rohner als Präsident vor. Der ist aber meistens auf Tauchstation, aus der er nur auftaucht, um wie kürzlich den jämmerlichen Auftritt von Dougan & Co. vor Senator Levins Untersuchungsausschuss in Washington als «ausgezeichnet» zu loben.
Dabei bewiesen die dort antrabenden CS-Bosse einmal mehr, was das Mantra ihres Verständnisses von Führung und Verantwortung ist: Nichts gewusst, nichts persönlich entschieden, keine Eigenverantwortung erkennbar, wenn es zu Verstössen gegen US-Gesetze oder gegen Regeln der Veröffentlichung von Quartalszahlen gekommen sei, hätten das andere, vor allem subalterne Mitarbeiter, zu verantworten.
Dougan als Personifizierung
Jedes Übel braucht ein Gesicht, damit Abstraktes fassbar und benennbar wird. In diesem Sinn bietet sich Brady Dougan, wie weiland Daniel Vasella, idealtypisch an. In einem System, das weiterhin krank, kaputt, obszön und pervers ist. In erster Linie die anhaltende Entkoppelung von persönlichem Profit und aus der eigenen Tätigkeit entstehender Wertschöpfung oder eben -vernichtung. Wenn aktuelle oder rückwirkende Verluste, die im eigenen Verantwortungsbereich entstanden, nicht zu einer rückwirkenden Schmälerung bereits kassierter Boni führen und absurderweise sogar zu einer Steigerung des aktuellen Bonus, dann läuft etwas unbestreitbar grundfalsch.
Es wäre aber zu viel verlangt, wohl übermenschlich, ein individuelles Einsehen zu fordern, das sich darin äussern könnte, dass es Dougan ja unbenommen wäre, freiwillig auf eine Teil seiner seit 2005 ausbezahlten Boni zu verzichten. Dazu bräuchte es eine ethisch gefestigte Persönlichkeitsstruktur, mit der man niemals an die Spitze einer Grossbank gelangen würde.
Wenn Dougan diesem System nur ein Gesicht gibt, wer ist dann dran schuld? Natürlich diejenigen, die die Entscheidung über die Ausschüttung von Boni treffen. Also der Verwaltungsrat. Der wiederum waltet nur stellvertretend für die Besitzer der Bank, die Aktionäre. Die Schuld trifft also fraglos sie.
Nordkoreanische Verhältnisse
Bei der Ausübung der Rechte von Besitzern grosser Unternehmen, und fast alle Grossbanken der Welt sind als AGs organisiert, herrschen aber nordkoreanische Verhältnisse. Der Besitz ist verstreut, vielen gehört alles, also niemandem nichts. Die jeweils bei den jährlichen Generalversammlungen in grossen Hallen sitzenden Aktionäre, die auch ausgiebig von ihrem Rederecht Gebrauch machen, repräsentieren nicht mal ein Prozent der Aktien. Die Bank selbst übt das ihr von vielen Abwesenden abgetretene Stimmrecht nach Gusto aus, selbst institutionelle Anleger oder Staatsfonds aus der arabischen Welt besitzen nicht mehr als 10 Prozent der Aktien der CS, und ihre Interessen divergieren dermassen, dass auch sie keine Mehrheit hinkriegen.
Also haben wir eigentlich sozialistische Zustände bei der CS. Der Besitz an der Bank ist vergesellschaftet, die leitenden Angestellten, nicht mehr sind die Mitglieder der Geschäftsleitung von Dougan abwärts, schalten und walten nach Massgabe ihrer Eigeninteressen, das Kontrollorgan Verwaltungsrat schaut zu, die eigentlichen Besitzer sind machtlos. Dagegen war das sowjetische Parlament, das meist einstimmig den Vorlagen der Regierung, auf Anweisung des Politbüros, zustimmte, eine mustergültig demokratische Veranstaltung.
Selbst das kubanische Parlament, das wie immer in seiner Geschichte gerade einstimmig einem neuen Gesetz über ausländische Investitionen zujubelte, ohne dass der Gesetzestext bislang bekannt geworden wäre, kann zu Recht mit Blick auf die CS und viele andere kapitalistische Unternehmen sagen: So wie bei uns geht Demokratie und Interessensvertretung der Shareholder. Macht ihr kapitalistischen Kritiker an unserem System doch genauso.