Für viele Schweizer Banker gehört der tägliche Blick auf insideparadeplatz.ch zur täglichen Routine. Offensichtlich gespeist von internen Quellen, basierend auf eigenen Recherchen oder auch unter Mischung von Dichtung und Wahrheit veröffentlicht hier Lukas Hässig Story um Story, die alle gemein haben: Irgend jemand in irgend einer Chefetage einer Schweizer Bank ärgert sich gewaltig. Da Hässig bislang seine Gratwanderung an juristischen Abgründen vorbei erfolgreich absolvierte, wird inzwischen zu anderen Mitteln gegriffen.
Hacker-Kriminalität
In den Weiten und Abgründen des Internets gibt es Cyber-Kriminelle, die sich auf das Lahmlegen oder Beschädigen von Webseiten spezialisiert haben. Aus reinem Spass oder auch im Auftrag. Eine beliebte Waffe ist dabei der «Denial of Service». Der sogenannte Hoster, der die Seite ins Netz stellt, wird durch Tausende von gefälschten Anfragen pro Sekunde in die Knie gezwungen. Und weg ist die Webseite. Das passiert nun nicht nur bankenkritischen Blogs. Allerdings darf man ja heutzutage Bankern einiges bis alles zutrauen.
Wiederholungstat
Bereits im Juni wurde Hässigs Webseite für anderthalb Tage mit einem gleichen Angriff lahmgelegt. Das ist auch die übliche Dauer einer solchen Attacke. Aber diesmal dauert das Trommelfeuer bereits vier Tage an, ein Ende ist nicht abzusehen. Zudem konnte Hässig damals noch auf seine persönliche Webseite ausweichen. Ruft man die heute auf, erscheint ein Warnhinweis von Google, dass diese Seite Viren oder Malware enthalte, die den eigenen Computer infizieren könne, weshalb von einem Besuch strikt abgeraten werde. Sie wurde offensichtlich gehackt. Ein solcher Doppel- oder besser Dreifachschlag übersteigt die normale Energie eines Cyber-Kriminellen, der aus reiner Zerstörungswut tätig wird. Deshalb ist die Vermutung erlaubt, dass hinter diesem Angriff ein Auftraggeber steckt.
Wer war’s?
Solche Attacken aus den Tiefen des World Wide Web haben es leider an sich, dass der Täter nur mit grossem Aufwand allenfalls aufspürbar ist. Er kann der Betreiber eines schmierigen Servers in Weissrussland sein, dessen offizieller Besitzer wiederum über ein Postfach auf den Bahamas verfügt, das einer Holding mit Domizil in Singapur gehört. Oder aber, der Kriminelle verwendet ein Netz von gekaperten Computern, ein sogenanntes Botnet, deren Besitzer gar nicht wissen, wofür ihre Computer missbraucht werden. Und selbst wenn man hinter diesen Tarnkonstruktionen den eigentlichen Bösewicht identifizieren könnte, wie soll man ihn motivieren, seinen Auftraggeber bekannt zu geben? Aber bei der Eingrenzung des potenziellen Täterkreises hilft einfache Logik.
Motiv, Mittel und Gelegenheit
Es ist denkbar, aber unwahrscheinlich, dass ein Cyber-Krimineller zwei Mal und mit zunehmender Energie diese Angriffe aus Lust und Laune durchführt. Da sich Hässigs Storys ausschliesslich mit dem Bankenplatz Schweiz befassen, ist es ebenfalls unwahrscheinlich, das ein US-Investmentbanker einen solchen Angriff in Auftrag gegeben hat. Das grenzt den Kreis der potenziellen Täter doch schon etwas ein. Es ist letztlich auch unwahrscheinlich, dass ein normaler Bankangestellter die Kenntnisse und die finanziellen Mittel hat. Geschweige denn ein genügend starkes Motiv. Wenden wir den Blick in die oberen Etagen des Schweizer Banking, sieht die Sache schon anders aus. Da sind Motiv, Mittel und Gelegenheit reichlich vorhanden.
Wehrhaft oder wehrlos?
Gegen die meisten Attacken, gerade in den Medien, können sich Finanzhäuser nur schlecht wehren. Höchstens juristisch, wenn dem Autor ein handwerklicher Fehler unterlaufen ist. Oder mit einem Anklopfen bei der Inserateverwaltung des Mediums, dass ein weiterer derartig bankenkritischer Artikel das redaktionelle Umfeld dermassen ins Negative drehe, dass die geplante Inseratereihe, plus Sponsoring von gemeinsamen Events, doch leider in Frage gestellt sei. Aber wenn das rauskommt, gibt es auch jede Menge Ärger. Anders bei einem Einzelkämpfer wie Hässig, der zwar auch in anderen Medien publiziert, seinen Blog aber als Hauptsprachrohr verwendet. Er arbeitet gerade daran, seinen Lautsprecher wieder in Betrieb zu setzen. Wir sind gespannt, ob die Hintermänner in Nadelstreifen dieses Angriffs auf die Pressefreiheit identifiziert werden können. Dabei hilft das Wissen: Viele Banker sind nicht nur skrupellos, sondern auch dumm ...