ICT und Medien als zentrale Begriffe der Schulen, das hat Medienpädagogen und Informatiker lange bildungspolitisch geeint. Schulen sollten sich verstärkt den Medien gegenüber öffnen. Oder wie es in einer medienpädagogischen Kampagne in Deutschland heisst: «Keine Bildung ohne Medien».
Medienbildung ist nicht gleich Informatik
Doch seit einiger Zeit hängt der Haussegen zwischen den Befürwortern schief. Informatiker kritisieren immer häufiger die «bloss» anwendungsorientierte Ausrichtung der Medienpädagogik. So meinte ETH-Professor Juraj Hromkovic in der «Sonntags-Zeitung»: «Es geht mir nicht darum, dass die Schüler lernen, mit Word oder Excel umzugehen. Es geht auch nicht um das, was man heute unter Medienbildung versteht. Informatik ist eine Wissenschaft über die Automatisierung der intellektuellen Tätigkeit der Menschen.» Und auf der anderen Seite wehrt sich Josef Kraus, Präsident des deutschen Lehrerverbands: «Die Schüler müssen ja auch nicht wissen, wie eine Schreibmaschine funktioniert. Hauptsache, die können sie bedienen.»
Richtig ist: Wer sich in der Primarschule damit beschäftigt, eine Schülerzeitung zu gestalten und dabei ganz praktisch Aufbau und Prinzipien des Zeitungsmachens kennenlernt, kann das kaum unter dem Stichwort «Informatik» abbuchen. Und umgekehrt dürfte es schwierig sein, Programmierkenntnisse umstandslos auf den Alltag anzuwenden – auch wenn es eine Schnittmenge gibt, wo zum Beispiel über die Automatisierung in der Informatik medienpädagogisch nachgedacht wird.
Der Hintergrund dieser Kontroverse: Die Informatikbranche bemängelt zunehmend die mangelnde Nachwuchsförderung, die schon in der Schule beginnen müsste. In der Schweiz ist es die Hasler-Stiftung, welche die Förderung der Informations- und Kommunikationstechnologie betreibt, «zum Wohl und Nutzen des Denk- und Werkplatzes Schweiz», wie es heisst. Und in Deutschland tobt der Streit vor allem in Hamburg, wo der Informatikunterricht zurückgefahren werden soll. Der Erziehungswissenschaftler Norbert Breier interpretiert dies im «Spiegel» pointiert als «Rolle rückwärts».
Schulinformatik im internationalen Vergleich
Die Informatik in der Schule ist nicht überall so stark im Hintertreffen wie in den deutschsprachigen Ländern. In Ländern wie Südkorea oder den USA sind die Anstrengungen grösser. Grossbritannien hat erst kürzlich Alarm geschlagen. Ein Report der Royal Society sieht nur zwei Alternativen: herunterfahren oder neu starten. Weil die Informationstechnik aber immer mehr zum tragenden Wirtschaftszweig wird, ist diese Frage schnell geklärt: «Jedes Kind soll die Möglichkeit erhalten, Computing in der Schule zu lernen, und darin soll es einbegriffen sein, Einblick in die Computerwissenschaft zu erhalten», so heisst es im Report wörtlich.
Streit schwächt gemeinsame Positionen
Allerdings ist die Fächerverteilung in den Schulen schwer umkämpft, und es braucht viel, um ein neues Fach im Lehrplan zu etablieren. Deshalb lachen sich über die Queren bei den Medienfachleuten all jene ins Fäustchen, welche den Medienunterricht in den Schulen generell klein halten wollen.
Dabei liegt die Lösung auf der Hand. In der Primarschule braucht es vor allem eine Medienbildung, welche darauf achtet, dass die Schulen Medien vermehrt in allen ihren Fächern berücksichtigen. Das Gestalten von Präsentationen mit dem Computer, Fahrplan lesen auf dem Handy, mit Schülern aus anderen Ländern Erfahrungen austauschen – all das kann eine Medienbildung befruchten. Nach dem siebten oder achten Schuljahr dürfte es dann aber wichtig werden, sich mit der Welt der Informationen systematisch auseinanderzusetzen. Denn sonst bewahrheiten sich die Ängste der Informatikfachleute: Der eigene Nachwuchs fehlt, und wir müssen das hochqualifizierte Personal in diesem Bereich aus Indien und China einfliegen.