And the winner is: Josef Ackermann. Für diesen Auftritt muss er von Hollywood den Oscar als bester ausländischer Schauspieler bekommen. Mit leidender, aber staatstragender Miene verkündete er, dass das zwar «hart» sei, sich die europäischen Banken nichtsdestotrotz mittelfristig mit bis zu 135 Milliarden Euro an der Griechenland-Rettung beteiligen werden. Zu schön, um wahr zu sein. Deshalb ist es natürlich auch nicht wahr.
Zunächst einmal eine Antwort auf die Frage, was der Boss der Deutschen Bank eigentlich am Krisengipfel zu suchen hatte. Ganz einfach: Er ist unter anderem Präsident des «Institute for International Financing», der wichtigsten Vereinigung des Finanzkapitals. Die übrigen Anwesenden in Brüssel repräsentierten zwar Regierungen, aber nicht die Macht.
Gutes Geschäft für Banken
Es ist völlig egal, welche der herumgebotenen Zahlen der «freiwilligen Bankenhilfe» zutrifft. Es wird ein Bombengeschäft, denn der Deal ist: Finanzinstitute dürfen ihre Griechenbonds mit einem Abschlag von höchstens 21 Prozent an die Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität abgeben (EFSF). Das ist übrigens eine Aktiengesellschaft in Luxemburg, für die alle Mitglieder des Euroraums haften, also eine weitere jeder demokratischen Kontrolle entzogene Dunkelkammer in der EU. Entscheidend ist hier aber: Griechische Schuldpapiere werden bereits mit einem Abschlag von durchschnittlich 40 Prozent gehandelt. Im immer noch wahrscheinlichen Fall eines Staatsbankrotts würde ihr Wert im Extremfall gegen Null sinken. Und nur noch Vollidioten rechnen damit, dass Griechenland diese Papiere bei Ablauf zu hundert Prozent bedienen würde. Also müssten sich die Banken statt aktuell 40 bloss 21 Prozent ans Bein streichen und erhielten darüber hinaus von der gesamten EU garantierte Griechenpapiere. Zwar mit niedrigeren Zinsen, dafür bombensicher. Das als «hart» zu bezeichnen, dafür muss es stehenden Applaus und den Oscar geben. Vor allem, da auch das eine Luftnummer ist.
Und Griechenland?
Die Tragödie schleppt sich vor einem ermatteten Publikum in die Verlängerung. Denn Griechenland, das ist wieder wirtschaftliches Einmaleins, hat kein Liquiditätsproblem, das mit Finanzspritzen gelöst werden könnte. Es wird mit dem neuen Rettungspaket von 109 Milliarden Euro einfach «über Wasser gehalten», wie die NZZ klarsichtig schreibt. Und mit der Herabsetzung der zu zahlenden Zinsen auf 3,5 Prozent spart der Staat lächerliche 2 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist nichts anderes als die künstliche Lebensverlängerung bei einem Patienten, der bereits hirntot ist. Und keine Antwort auf die beiden wirklichen Fragen: Wie soll Griechenland jemals von seinen untragbaren Schulden runterkommen? Und wie soll die griechische Wirtschaft wieder in Schwung kommen?
Die Ansteckungsgefahr
Als handle es sich bei den griechischen Problemen um eine ansteckende Krankheit, so eine Art Finanz-Aids, wird das absurde Rettungspaket auch damit begründet, dass damit die Gefahren für Portugal, Irland, Spanien und Italien gebannt seien. Preisfrage: Wieso? Was hier in Wirklichkeit stattfindet, ist eine Vergesellschaftung eines finanziellen Desasters, das von der griechischen und der europäischen Regierung angerichtet wurde. Statt einen klaren Schnitt zu machen, also Staatsbankrott, wird der Patient in warme Geldwickel gehüllt, um so wunderbarerweise seine «Krankheit» auszuschwitzen. Das mag bei einer Therapie durch mittelalterliche Quacksalber noch angehen, aber im 21. Jahrhundert?
Kein Cent Verlust für die Banken
Da ja alles «freiwillig» ist, können sich Banken und Hedgefonds nun in aller Ruhe überlegen, ob sie auf ihren Griechenbonds sitzen bleiben wollen, aus aktienrechtlichen Gründen eigentlich gar nicht «freiwillig» einen Abschreiber kassieren dürfen – oder ein potenzielles Verlustrisiko von bis zu 100 Prozent gegen vorläufig bombensichere Eurobonds eintauschen wollen. Wetten, dass sie nach scharfem Durchrechnen keinen einzigen Cent verlieren werden? Nein, das wäre unfair, daher erkläre ich kurz, wieso das gar keine Wette ist. Hat irgend jemand im Traum daran geglaubt, dass sich auch nur eine einzige Bank (nachträglich!) zu einem freiwilligen Forderungsverzicht bereit erklärt? Und dies, weil einige Politiker in Brüssel gequasselt haben? Diese Privatbeteiligung lässt sich rechtlich ja überhaupt nicht durchsetzen («ach, das haben wir aber ganz anders verstanden, wissen Sie, wir haben Vorschriften, und überhaupt!»).
Wo bleiben die Gewinnwarnungen?
Entweder hat jede Bank schon vorgestern ihren Anteil unterschrieben, oder sie wird es nie tun. In Tat und Wahrheit hat aber keine einzige Bank etwas unterschrieben. Der Beweis ist einfach: Jede Publikumsbank müsste heute eine offizielle Gewinnwarnung abgeben, in der sie den Ausfall beziffert, der ihr durch den «freiwilligen» Verzicht entstanden ist, rsp. entstehen wird; sonst macht sie sich strafbar. Habe nichts gelesen; werde auch nichts lesen. Warme Luft! Schaumschlägerei der Sonderklasse. Anderes Detail: Am meisten würden ja die Franzosenbanken drankommen. Glaubt irgend ein Flachdenker im Ernst, Sarkozy würde einem solchen Deal je zustimmen? Liebes Publikum, bist du wirklich so dumm?, um nochmals Kurt Tucholsky zu zitieren. Wenn die Banken tatsächlich so zwischen 37 und 50 Milliarden ans Bein streichen müssten, würde wohl ein ansehnliches Wehklagen durch die Branche wehen. Tut es aber nicht. Ruhe im Gehölz. Mit gutem Grund. Man hat sich elegant eines Klotzes am Bein entledigt, zu Lasten der EU, Deutschlands.
Das Prinzip «mañana»
In der spanischen Welt gibt es die berühmte Antwort «mañana» auf die Frage, wann denn die dringliche Lösung eines Problems zu erwarten sei. Das bedeutet natürlich nicht «morgen», sondern richtig übersetzt: Heute nicht, morgen auch nicht, sehr wahrscheinlich nie, aber man will ja nicht unhöflich sein. Nachdem sich nun die EU, also ungefragt ihre Steuerzahler, den grössten Teil der Griechen-Schulden aufgehalst hat, verfolgen ihre Politiker ebenfalls das gleiche Prinzip. Und das heisst richtig übersetzt: Wann werden diese Probleme gelöst werden? «Mañana», nach den nächsten Wahlen. Oder noch besser nach den übernächsten. Von unseren Nachfolgern. Wir wünschen ihnen viel Spass dabei.