Vier Jahre ist es her, seit Amy Jade Winehouse im Juli 2011 im Alter von 27 tot in ihrer Wohnung in London aufgefunden wurde. Gestorben an einer Überdosis. An einer Überdosis Alkohol. Aber die Alkoholvergiftung war nur ein Teil des Ganzen. Überdosis im Fall Amy Winehouse, das heisst: Überdosis Drogen, Überdosis Talent, Überdosis Liebe beziehungsweise Abhängigkeit, Überdosis Lebensintensität, Überdosis Musik. Alles in allem eine Überdosis, an der sie nur scheitern konnte.
Asif Kapadia, britischer Filmregisseur mit indischen Wurzeln, hat einen berührenden und zugleich faszinierenden Film über Amy gedreht. Einen Film, der Aufstieg und Fall der jungen Sängerin dokumentiert. Während gut zwei Stunden wird man als Zuschauer Zeuge, wie aus dem jungen Mädchen erst ein grosser Star und dann ein Wrack wird.
Interessant dabei: es handelt sich um Filmmaterial, das Kapadia und sein Team bei Freunden und Verwandten zusammengesucht haben, Homevideos, Ferienfotos, später gab es auch professionell gedrehte Bilder und auch einiges an Bildmaterial, das Amy selbst aufgenommen hat. Mit sich im Mittelpunkt.
„soul“ in der Stimme
Auf diesen Bilden sieht man sie als fröhliches kleines Mädchen herumtollen, wild, schon damals, eigensinnig wuselt sie um Vater und Mutter herum. Ihr Gesicht hat bereits die charakteristischen Züge, die es später prägen. Sie ist nicht das, was m an unter „herzig“ versteht, sie hat als Kind schon Persönlichkeit und weiss, was sie will, nämlich vor allem nicht das, was andere von ihr wollen. Aber sie singt. Und sie merkt, dass sie eine Stimme hat, die anders klingt, die Seele hat, „soul“, eine Stimme, mit der sie machen kann, was sie will.
Das gibt ihr Stärke. Denn Schule, das war nicht ihre Sache. Sie wechselt von einer zur anderen und bricht auch ihr Studium an der Musikakademie ab.
Stattdessen tingelt sie durch Clubs, singt Jazz und Rock – und sie fällt auf. Produzenten interessieren sich für sie. Amy ist im Rausch. Doch parallel zu ihrer gesanglichen Karriere rutscht sie immer tiefer ab in Drogen und Alkohol. Dazu die verheerende Beziehung zu Blake Fielder-Civil, einem Barkeeper, dem sie total hörig war, der sie mit Drogen versorgte und vom Entzug abhielt. Er wurde sogar ihr Ehemann. Ohne Blake lief gar nichts bei Amy. Bulimie kam dazu, Amy wurde immer dünner und marschierte zielstrebig auf den Abgrund zu.
Daneben nahm sie zwei Alben auf, die sie zur Ikone der Soul-Musik machten. Diese Stimme! Dieser Ausdruck, diese musikalische Sicherheit! Sechs Grammies durfte sie dafür entgegennehmen. Trotzdem ging es rasant abwärts. Das Ende war selbstzerstörerisch und unausweichlich. Alkoholisiert torkelte sie auf die Bühne und konnte nicht mehr singen. Ein gefundenes Fressen für die Klatschpresse. Ihr Tod war nur noch die letzte Konsequenz in diesem hochgradig fiebrigen Leben, diesem Tanz auf dem Vulkan.
Soundtrack ihres Lebens
Der Film „AMY“ zeichnet ihr Leben anhand ihrer eigenen Song-Texte nach. Hier, in ihren Liedern, die sie selbst textete und komponierte, sprach sie ungeschminkt über ihre Befindlichkeit, über das Elend ihres Lebens und über die Liebe, die bei ihr zu Besessenheit verkam. Die Songs sind im wahrsten Sinne des Wortes der Soundtrack ihres Lebens. Sonst versteckte sie sich hinter viel Schminke, tiefschwarzem Augen-Make-up, einer hochauftoupierten Frisur und etlichen Tattoos.
Eine traurige Dokumentation über eine grandiose Sängerin mit unvergleichlicher Stimme. Ein Film aber auch, der durchaus unbeschwerte Seiten von Amy Winehouse zeigt, bevor sie immer mehr im Drogen-und Alkohol-Sumpf versinkt.
Warum hat niemand „halt“ gerufen, fragt man sich als Zuschauer, warum hat niemand die Notbremse gezogen, bevor es zu spät war? Eine Antwort gibt es nicht.
"AMY"
The Girl Behind the Name
Kinostart: 16. Juli 2015