Wie reagiert man, wenn man eine Abstimmung verloren hat? Normalerweise sagt man, der Gegner habe eben über immense Finanzmittel für den Abstimmungskampf verfügt. Deshalb sei er im Vorteil gewesen.
Dieses Argument werden die Befürworter der Unternehmenssteuerreform sicher nicht bringen. Denn das Gegenteil ist der Fall. Es war ein Kampf mit ungleich langen Spiessen. Fast 90 Prozent der Gelder, die in dieser Abstimmungskampagne eingesetzt wurden, kamen von den Befürwortern, der Wirtschaft und den bürgerlichen Parteien. Das waren viele Millionen. Die Gegner, die Linke, ist immer knapp bei Kasse.
Plakatwände wurden mit Ja-Botschaften vollgepflastert. Die Zeitungen quollen über mit Ja-Inseraten. Fast jeder fünftklassige Lokalpolitiker lächelte in irgendeinem Inserat für die Vorlage. Abstimmungszeitungen, die vor einem Nein warnten, flatterten in die Briefkästen.
Alles für die Katz.
Bürgerliche Leitblätter bombardierten die Leser täglich mit immer neuen Argumenten für die Reform. Bei einzelnen Journalisten hätte man fast den Eindruck gewinnen können, sie seien nicht mehr unabhängige Zeitungsschreiber, sondern bezahlte Lobbyisten – was natürlich nicht stimmt. Die Gegner wurden fast totgeschwiegen.
Fast alle waren dafür: Der Nationalrat, der Ständerat, der Bundesrat, die kantonalen Finanzdirektoren, der Gemeindeverband, die Freisinnigen, die CVP, die SVP, die BDP, die Grünliberalen, der Gewerbeverband, economiesuisse, die Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, der Bauernverband.
Nur das Volk war dagegen.
Schon in den letzten Tagen, als sich eine Niederlage abzuzeichnen begann, suchte man einen Sündenbock. Dafür bot sich eine Ex-Bundesrätin an: Eveline Widmer-Schlumpf. „Wer weiss, vielleicht hat sie der Vorlage die entscheidenden Stimmen genommen“, schrieb die NZZ letzte Woche.
Ihr, der Ex-Bundesrätin, war da und dort das Recht abgesprochen worden, ihre Meinung zu sagen. Sie, die vielleicht mehr von der Sache versteht als der jetzige Finanzminister und manche Kommentatoren, wurde mit rüdesten Worten abgekanzelt.
Wenn des stimmt, dass Eveline Widmer-Schlumpf die Vorlage zu Fall gebracht hat, dann würde das zweierlei bedeuten:
Erstens: Die Ex-Bundesrätin hat immer noch mehr Gewicht und Einfluss als alle jetzigen Bundesräte zusammen. Ihr Fachwissen wird offenbar noch immer geschätzt. Ihr Wort und ihr Urteil werden ernst genommen.
Zweitens: Den Befürwortern der Vorlage ist es trotz riesigem Aufwand nicht gelungen, gegen die Argumente der Ex-Bundesrätin anzukommen.
Vor allem verpassten es die Bürgerlichen und die Wirtschaft, der Bevölkerung plausibel zu erklären, um was es bei dieser komplizierten Vorlage wirklich geht. Da versprach man „mehr Jobs“, „Chancen für KMU“, „sichere Steuern“, „mehr Innovation“. Das ist das übliche Schlaraffenland-Phrasen-Potpurri. Die Mehrheit der Stimmenden liessen sich davon nicht überzeugen. Wenn es nicht gelingt, dem Volk eine Vorlage verständlich zu erklären, weshalb soll denn dieses Volk die Vorlage annehmen?
Es genügt eben nicht, das Land mit Plakaten vollzukleben. Selbst die traditionell unappetitlichen Querschüsse des Direktors des Gewerbeverbandes halfen nichts. Sein stets rabiates Vorgehen könnte kontraproduktiv gewesen sein. Vielleicht kommen die Bürgerlichen irgendwann zur Erkenntnis: Wenn man Hans-Ulrich Bigler im Boot hat, geht etwas schief.
Haben die Befürworter mit ihrer flächendeckenden Kampagne den Bogen überspannt? Haben sie es sich mit der Phrasendrescherei zu einfach gemacht? Haben die Bürger Angst gekriegt, wenn die Hochfinanz derart absolut und geeint und offensiv für das Anliegen eintrat?
Die Schweiz ist ein vorwiegend bürgerliches Land. Dass eine Vorlage, zu der nur die Linke Nein sagte, mit fast 60 Prozent abgeschmettert wird, ist erstaunlich – und dies trotz riesiger finanzstarker Kampagne der Befürworter.
Sicher ist eins: Das Ergebnis ist derart klar, dass die USR III auch ohne die Intervention von Eveline Widmer-Schlumpf abgelehnt worden wäre.
Natürlich werden die Unterlegenen jetzt in den Elefantenrunden sagen, die Gegner hätten mit der Angst der Bürger vor Steuererhöhungen gespielt. Doch Ängste haben beide Lager angesprochen: Die Befürworter haben mit der Angst gespielt, dass die Schweiz bald nicht mehr konkurrenzfähig sei und dass es dann zu Entlassungen komme.
Es geht hier nicht darum, das Abstimmungsergebnis zu werten. Vielleicht ist es gut, dass die Unternehmenssteuerreform abgelehnt wurde, vielleicht ist es nicht gut.
Es geht hier darum festzustellen, dass trotz der Mobilisierung von Dreivierteln der Politklasse und trotz riesigem finanziellem Einsatz, das Volk nicht mmitgespielt hat.
Mit Geld kann man offenbar doch nicht immer alles erreichen, auch in der Politik nicht. Und das ist tröstlich.