In Paris zogen schon am frühen Samstagmorgen Tausende mit gelben Westen bekleidete Demonstranten auf die Champs-Élysées, die für den Verkehr gesperrt wurden.
Kurz vor 11.00 Uhr kam es zu ersten handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften und den Demonstranten. Die Polizei setzte beim Rond-point des Champs-Elysées Wasserwerfer, Rauchpetarden und Tränengas ein. Die Sicherheitskräfte wurden mit Pflastersteinen beworfen. Die Regierung hatte jede Demonstration auf den Champs-Élysées verboten. Tausende Polizisten in Kampfmontur stellten sich den Protestierenden entgegen.
Die Regierung hatte die Demonstranten aufgefordert, allein auf dem Champ-de-Mars vor dem Eiffelturm zu protestieren. Dies lehnten die „Gilets jaunes“ ab und blockierten mehrere neuralgische Punkte der Hauptstadt, so auch die Place de la Concorde. Die grossen Fernsehstationen berichten live und ohne Unterbruch über die Aufmärsche. Unter den Demonstranten befinden sich zahlreiche ältere und alte Frauen und Männer.
30’000 in Paris
Auch vor dem Élysée-Palast, der Place de l’Étoile mit dem Triumphbogen, dem Hôtel Matignon, dem Amtssitz des Premierministers, und vor der Assemblée nationale finden Aufmärsche statt. Die Demonstrantinnen und Demonstranten sind mit gelben Westen bekleidet, die man im Auto obligatorisch mitführen muss. Einige der Gelbwesten führen Gasmasken mit, um sich gegen einen eventuellen Einsatz von Tränengas zu schützen. In Sprechchören forderten die Gilets jaunes die Polizei auf, sich ihnen anzuschliessen.
Die Polizei schätzt, dass allein in Paris etwa 30’000 Menschen demonstrierten. Auch in andern Städten gingen Tausende auf die Strasse. Selbst im französischen Übersee-Departement La Réunion wird seit Tagen demonstriert.
Ausser auf den Champs-Élysées verliefen die Demonstrationen in zahlreichen Städten, so in Lyon, Marseille oder Strassbourg ohne Zwischenfälle und Gewalt.
Die Kundgebungen, die nun seit einer Woche dauern, haben bisher zwei Todesopfer und unter den Demonstranten 620 Verletzte gefordert. 17 von ihnen sind schwer verlertzt. Unter den Ordnungskräften gab es 137 Verletzte, drei Polizisten sind schwer verletzt.
„On en a ras-le-bol“
Entzündet hatten sich die Demonstrationen vor einer Woche an der Ankündigung der Regierung, dass die Benzinpreise steigen werden. Doch schnell entwickelten sich die Aufmärsche zu einer allgemeinen Protestwelle gegen die steigenden Lebenshaltungskosten, die Arbeitslosigkeit und die düsteren Zukunftsaussichten eines grossen Teils der Bevölkerung. „On en a ras-le-bol“ (wir haben die Nase voll) ist der meistgehörte Slogan der Demonstranten.
Präsident Emmanuel Macron wird als „Präsident der Reichen“ verunglimpft. Den Politikern wird vorgeworfen, abgehoben zu sein und die Bedürfnisse der Bevölkerung nicht mehr zu kennen. „Die wissen nicht einmal mehr, wieviel ein Pain-au-chocolat kostet“, erklärt ein wütender Taxifahrer gegenüber Journal21.