Hanna Maliar, die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin, bestätigt, dass die vom Westen versprochenen Hightech-Waffen in der Ukraine eintreffen. Putin hatte am Sonntag den Westen gewarnt. Würden westliche Langstreckenraketen geliefert, werde Russland Ziele angreifen, die bisher verschont wurden. Trotz dieser Warnung gab am Montag auch Grossbritannien bekannt, der Ukraine Langstreckenraketen zukommen zu lassen.
Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace erklärte am Montag, das Vereinigte Königreich liefere den ukrainischen Truppen «lebenswichtige Waffen, die sie brauchen, um ihr Land gegen eine unprovozierte Invasion zu verteidigen». Die britische Ankündigung erfolgt eine Woche, nachdem Präsident Biden die Lieferung von Satelliten-gelenkter M42 High Mobility Artillery Rocket Systeme (HIMARS) angekündigt hatte.
«Da sich Russlands Taktik ändert, muss sich auch unsere Unterstützung für die Ukraine ändern», fügte Wallace hinzu.
Die britische Regierung teilte mit, dass das ukrainische Militär in den kommenden Wochen im Umgang mit den M270-Mehrfachraketenwerfern geschult werden soll.
Nach dem Eintreffen der ersten amerikanischen Raketensysteme haben die russischen Streitkräfte am Sonntag fünf Raketen auf Kiew abgeschossen. Militäranalysten rechnen damit, dass die Hauptstadt jetzt vermehrt zum Ziel der Russen werden könnte.
Ankunft westlicher Waffen
«Wir werden immer Unterstützung brauchen, da wir uns bereits in einem langwierigen Krieg befinden», erklärte Hanna Maliar am Sonntag. «Der Westen muss verstehen, dass es sich nicht um eine einmalige Hilfe handelt. Wir brauchen Waffenlieferungen bis zum Sieg.»
«Unsere Kämpfer sind gut vorbereitet, unsere Armee ist gut vorbereitet. Aber diese Motivation und Ausbildung reichen nicht aus. Russland könne ohne Waffen nicht besiegt werden.
«In 30 Minuten kann nicht alles ändern»
Hanna Maliar bezeichnete die Situation in Sewerodonesk als «heiss». Sie ändere sich ständig, so sei es schwierig, genaue Angaben darüber zu machen, wie viel vom Stadtgebiet die ukrainischen Verbände kontrollieren. «In 30 Minuten kann sich die Lage radikal ändern», sagte Maliar. «Das Einzige, was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass die ukrainischen Streitkräfte starken Widerstand leisten. Andernfalls wäre die Stadt längst gefallen.»
«Wir können in Sewerodonesk noch immer gewinnen»
Die hart umkämpfte Stadt Sewerodonesk im Osten der Ukraine wird zwar grösstenteils von russischen Truppen kontrolliert, ist aber noch immer nicht endgültig gefallen. Die Ukraine scheint fest entschlossen zu sein, möglichst grosse Teile des Stadtgebiets zu halten. Ukrainische Truppen haben am Wochenende Panzer und andere militärische Ausrüstung in die Stadt gebracht.
In einem Gespräch mit der BBC sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Haidai, dass es in Sewerodonezk Strassenkämpfe gebe und dass die ukrainischen Streitkräfte die Stadt noch immer zurückerobern könnten. «Die Russen wissen, dass sie die Stadt nicht halten können, wenn die Munitionsversorgung der Ukrainer nicht unterbrochen wird.» Die ukrainischen Streitkräfte hoffen, dass die von den USA versprochenen modernen, präzisen Raketensysteme bald eintreffen und das Gleichgewicht zu ihren Gunsten verschieben werden.
Ukrainische Verbände hatten letzte Woche einen Gegenangriff gestartet und einige Stadtgebiete zurückerobert.
Laut dem britischen Militärgeheimdienst kämpfen auf russischer Seite nicht nur russische Soldaten, sondern auch Kämpfer der separatistischen pro-russischen Regionen Luhansk und Donezk. Die meisten von ihnen seien schlecht ausgebildet und schlecht ausgerüstet.
Auf der anderen Seite des Donezk-Flusses liegt die Zwillingsstaat Lyssytschansk. Sie steht weiterhin unter ukrainischer Kontrolle steht. Haidai sagte, Lyssytschansk sei von grösserer strategischer Bedeutung, weil die Stadt auf einem Hügel liege. So sei sie für das Militär leichter zu verteidigen.
Lage verschlechtert sich für die Ukraine
Nachdem die ukrainischen Streitkräfte in der östlichen Stadt Sewerodonezk am Wochenende Territorium von Russland zurückerobert hatten, wurden sie am Montag erneut angegriffen, so der oberste Beamte der Region.
«Die heftigsten Kämpfe gehen hier weiter», sagte Serhiy Haidai, Chef der Militärverwaltung der Region Luhansk, in einem Fernsehinterview.
«Unseren Verteidigern ist es gelungen, eine Zeit lang einen Gegenangriff zu starten – sie haben fast die Hälfte der Stadt befreit. Aber jetzt hat sich die Lage für uns wieder verschlechtert.»
Haidai sagte, die Russen würden die «übliche Taktik der verbrannten Erde» anwenden. Eine Evakuierung der rund 15’000 in Sewerodonezk verbliebenen Zivilisten sei wegen der heftigen Kämpfe unmöglich.
Angriff auf Eisenbahn-Reparaturwerkstätte
Bei dem russischen Raketenangriff auf Kiew wurde am Sonntagmorgen die Eisenbahnstruktur getroffen. Die Russen versuchen offenbar, die Lieferung westlicher Militärtechnik zu unterbinden.
Keine T-72-Panzer zerstört?
Die Ukraine hat russische Berichte dementiert, wonach am Sonntag früh russische Raketen T-72-Panzer zerstört hätten. Russland hatte erklärt, es habe bei seinen Raketenangriffen auf Kiew mehrere T-72-Panzer und eine Reparaturwerkstatt für Eisenbahnwagen getroffen. Die hochpräzisen Raketen seien von Kampfflugzeugen aus abgeschossen worden.
Der Vorstandsvorsitzende der ukrainischen Eisenbahngesellschaft, Oleksandr Kamyshin, sagte, es gebe «keine militärische Ausrüstung» am Zielort, dem Autoreparaturwerk Darnytsia. Dort würden einzig Lastwagen und Eisenbahnwaggons für den Getreide-Export repariert.
Bei den T-72-Panzern handelt es sich um 50-jährige sowjetische Modelle, die Polen und Tschechien der Ukraine geliefert hatten.
Erneut russischer General gefallen
Roman Kutusow, Generalmajor der russischen Armee, ist nach Angaben mehrerer Medien im Osten der Ukraine bei Kämpfen an Pfingsten gefallen. Kutusow starb bei einem Kampfeinsatz, den er persönlich leitete. Er ist der zehnte russische General, der im Ukraine-Krieg ums Leben kam. Auch russische Medien bestätigen seinen Tod. Offiziell äussert sich Russland nicht dazu.
Putin spielt westliche Waffenlieferung herunter
In einem Interview mit dem staatlichen russischen Fernsehen Rossiya wurde Putin gefragt, was er von der Lieferung hochmoderner amerikanischer Raketensysteme an die Ukraine halte. Putin versuchte, die Lieferungen herunterzuspielen. Die westlichen Staaten würden nur die Bestände ähnlicher Waffen auffüllen, die die Ukraine verschossen habe. Präsident Biden hatte letzte Woche die Lieferung Satelliten-gelenkter M142 High Mobility Artillery Rocket Systeme (HIMARS) angekündigt. Damit können Raketen bis zu 70 Kilometer Reichweite präzis abgefeuert werden.
Russischer Oberbefehlshaber unter Druck
Offenbar geht Russland die Geduld mit dem nur «schleichenden» Vordringen der russischen Verbände in Sewerodonesk aus. Der russische General Aleksandr Dwornikow, der Oberbefehlshaber der russischen Invasionstruppen, soll die Aufgabe erhalten haben, bis zum kommenden Freitag (10. Juni) die Stadt vollständig erobert zu haben. Sollte dies nicht gelingen, müsste er wenigstens die Fernstrasse zwischen Lyssytschansk und Bachmut vollständig unter russische Kontrolle bringen. Dies erklärt der ukrainische Militärchef von Luhansk, Serhiy Haidai.
Um diese Zielvorgabe zu erreichen, werde das russische Militär deshalb «riesige Mengen an Kräften, alles was sie haben, alle Reserven» einsetzen, sagte Haidai. General Aleksandr Dwornikow war Befehlshaber im Syrien-Krieg und gilt als «extrem brutal». Bei der Bombardierung von Aleppo, die er im Februar 2016 anordnete, waren vermutlich Hunderte oder gar Tausende Zivilisten ums Leben gekommen.
Massenflucht aus Slowjansk
Nachdem die Stadt Slowjansk letzte Woche bombardiert worden war, hat eine Massenflucht eingesetzt. Täglich würden Hunderte aus der Stadt fliehen, teilt der ukrainische Generalstab mit. Die Zahl der Evakuierten habe sich diese Woche fast verdoppelt. Nördlich von Slowjansk ziehen die Russen Truppen zusammen.
Beschuss von Kramatorsk
Die ostukrainische Stadt Kramatorsk wurde am Sonntag von mehreren gewaltigen Explosionen erschüttert. Der Angriff auf den Bahnhof von Kramatorsk war am 8. April von russischen Raketen angegriffen worden. Dabei starben 57 Menschen, die darauf gewartet hatten, mit Zügen evakuiert zu werden.
Beschuss von Donezk
Die russischen Truppen bombardieren weiterhin Gebiete in der Ostukraine. In den vergangenen 24 Stunden wurden in der Region Donezk acht Zivilisten getötet und 11 verletzt. Dies teilt die regionale militärisch-zivilen Verwaltung mit.
Russische Taktik
Nachdem die Russen fast die ganze Provinz Luhansk erobert hatten, greifen sie nun Städte und Dörfer in der Nachbarprovinz Donezk an. Luhansk und Donezk bilden zusammen den Donbass.
Die Russen gehen immer gleich vor: Sie beschiessen eine Stadt pausenlos mit Artillerie und Raketen, legen sie in Schutt und Asche und rücken dann vor.
Ukraine schiesst russische Raketen ab
Russland hat am Sonntag vier Raketen auf die südukrainische Stadt Mikolajiv abgeschossen. Die ukrainische Luftabwehr teilt mit, sie habe zunächst zwei Raketen abgeschossen, die vom Meer aus abgefeuert wurden. Anschliessend wurden zwei weitere russische Raketen abgefangen, die von Flugzeugen aus abgefeuert wurden.
Russische Rakete über Atomkraftwerk
Eine russische Rakete, die am Sonntag Richtung Kiew abgefeuert wurde, flog «in kritisch niedriger Höhe» über ein südukrainisches Atomkraftwerk. Dies gab das ukrainische Staatsunternehmen «Energoatom» bekannt, das in der Ukraine vier Atomkraftwerke betreibt. «Die Russen verstehen immer noch nicht, dass selbst das kleinste Fragment einer Rakete, das in ein funktionierendes Kraftwerk eindringt, eine nukleare Katastrophe auslösen kann», erklärte das Unternehmen.
US-Botschafterin trifft Olena Zelenska
Bridget A. Brink, die neue amerikanische Botschafterin in der Ukraine, traf mit Olena Zelenska, der Frau des ukrainischen Präsidenten zusammen. Sie bezeichneten in einer gemeinsamen Erklärung den Tod von 261 Kindern als «barbarisch und skrupellos». Brink sagte, «wir werden die Ukraine weiterhin unterstützen, damit sie sich und ihr Volk verteidigen kann.»
Phosphormunition bei Charkiw
Im Nordosten von Charkiw, in der Gegend von Cherkaski Tyshky, setzen die Russen Phosphormunition ein. «Der Feind hört nicht auf, die Stellungen unserer Truppen in der Nähe der Stadt Charkiw zu beschiessen», hieß es in der Militärerklärung.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21