Die Tat allein zählt. Das gilt für alle schwierigen Aufgaben. Wie etwa für die Darstellung der Schweiz im Ausland. Dort wird unser Land sehr verschieden gesehen.
Wie blickt das Ausland auf die Schweiz? Wie kann die vielfältige schweizerische Wirklichkeit im Ausland dargestellt werden, ohne die stereotypen Bilder zu verwenden? Wie kann das, was heute Neudeutsch "Nation Branding" heisst, gepflegt und belebt werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des reputierten 25. "Europa Forum Luzern".
Das Sisiphus-Bild stammt aus dem einleitenden Referat von Jean-Jacques de Dardel, schweizerischer Botschafter in Frankreich. Unser westliches Nachbarland ist der "traditionellste" unserer Nachbarn. Vom 15. bis 19. Jahrhundert kämpften über 100'000 Eidgenossen unter französischer Fahne. Dardel legte dar, welche Herausforderung es ist, in Paris die Willensnation Schweiz darzustellen und zu erklären. Da dränge sich das positive Sisiphus-Bild des französischen Schriftstellers Alber Camus geradezu auf. Camus sah Sisiphus als glücklichen Menschen schlechthin. Mit Tatkraft reagierte er auf vermeintlich unmöglich Herausforderungen - und nicht mit wehklagendem Selbstmitleid.
Stoischer fiel das Bild aus, das ‘Präsenz Schweiz’-Direktor Nicolas Bideau malte. Er ging darauf ein, wie die ausländischen Medien die Schweiz sehen. Positives und Negatives halten sich hier die Waage; am meisten Raum nimmt die grundsätzlich wertfreie Darstellung von Neuigkeiten aus der Schweiz ein. Insgesamt allerdings nimmt die Schweiz-Berichterstattung in den ausländischen Medien wenig Raum ein.
Fiskalische Reputationsrisiken
Für ein nahes und fernes ausländisches Publikum sei die Schweiz generell unwichtig. Darauf wiesen Klaus Armingeon, schweizerischer und deutscher Professor an der Uni Bern, ebenso wie Alfred Mettler, schweizerischer und amerikanischer Finanzprofessor in den USA hin. Wenn überhaupt, so werde die Schweiz als das gesehen was sie ist: Ein mittlerer Staat, stabil aber politisch inaktiv, wirtschaftlich stark aber mit fiskalischen Reputationsrisiken.
Bunte Farbtupfer im Schweiz-Gemälde, das in Luzern gemalt wurde, setzte Imogen Foulkes, die schweizerische Korrespondentin der BBC. Doch nicht nur sie. Farbig war auch das Zwiegespräch des Russen Michael Schischkin mit Gisela Widmer, einer Theaterfrau und langjährigen Korrespondentin für verschiedene schweizerische Medien in London. Schischkin ist wegen seiner Liebe zu einer Schweizerin und zur Schweiz in Helvetien ansässig. All ihren Ausführungen war gemeinsam, dass jeder Schweizer die Schweiz anders sieht. Was Heimat bedeutet, ist für jeden verschieden und letztlich das, was wir im Herzen tragen.
Die Trümpfe der Schweiz stechen weiter
Konkreter und grundsätzlich positive wurde das Bild der Schweiz als Wirtschaftsstandort gezeichnet. Referenten war zu diesem Thema die deutsche Unternehmerin in Sarnen, Christiane Leister und der Expat-Spitzenmanager Luigi Sorrentino. Auch dem von der Radiofrau Geradine Eicher geleiteten Gespräch mit Simon Bosshard, Mitglied der Geschäftsleitung von ‘Schweiz Tourismus’ und dem Gesundheitsexperten und Biotechunternehmer Michael Ziegler wurden vorwiegend positive Elemente erwähnt. Die Trümpfe “politische Stabilität”, “attraktive wirtschaftliche Rahmenbedingungen” und “hohes Bildungsnivau” stechen weiter. Sie würden nach Ansicht vieler Unternehmer einen Wegzug wegen temporärer Herbststürme eher unwahrscheinlich machen.
Komplexer fällt das Schweiz-Bild naturgemäss bei ausländischen Meinungsträgern aus. Armingeon hatte darauf aufmerksam gemacht, dass die Schweiz oft als Trittbrettfahrer gesehen wird. Peter Gottwald, der frühere Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Schweiz, setzte überaus liebenswürdige, aber klare Akzente. Helvetische Rosinenpickerei gehöre der Vergangenheit an. Ob aber die von der Schweiz angestrebte politische Quadratur des Kreises - vom ‘Klub’ EU voll profitieren zu wollen, ohne ihm als Mitglied anzugehören - auf Dauer gelinge, liess er offen. Ebenso offen, aber klar war er, was Immigration anbelangt. Die deutsche Einwanderung in die Schweiz 1848 und dann wieder um 1900 sei proportional ungleich grösser gewesen als heute, und dies in einem völlig anderen Umfeld. Heute hingegen sei die Bedeutung der europäischen Nationalstaaten gesunken. Anderseits würde die regionale Zusammenarbeit immer wichtiger.
Nur als Ganzes eine Chance
Über Europa hinaus ins ‘global village’ blickte der frühere österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Im ‘Weltdorf’ habe Europa mit seinen 2% der gesamten Erdoberfläche und seinem rasch unter 5% fallenden Anteil an der Weltbevölkerung nur als Ganzes eine Chance, seine Interessen auf dem Marktplatz und im Gemeindehaus dieses Dorfes wahrzunehmen. International gesehen sei die traditionelle Neutralität bedeutungslos. Souveränität bedeute heute, in einem grösseren Ganzen mitbestimmen zu können.
Ausgehend von dieser Diagnose, sowie knüppeldickem Lob für Stabilität und Wirtschaftskraft der Schweiz, tönte Schüssel mit wienerischer Eleganz und Beredtheit mögliche Rezepte für den aussenpolitisch widerspenstigen Nachbar an. Nachbarn müssten sich speziell pflegen. Die Eidgenossenschaft müsse die friedensstiftende Kernfunktion der EU respektieren und achten. Noch besser wäre eine zunehmende Beteiligung an internationaler Friedenserhaltung. Ausgehend vom gelungenen Experiment enger sicherheitspolitischer Zusammenarbeit zwischen Oesterreich und der Schweiz im Kosovo, sollten sich die beiden Länder vermehrt gemeinsame Tätigkeitsfelder in Spannungsregionen suchen. In unserer flachen Welt muss Stabilität exportiert werden, sonst werden wir vom unfreiwilligen Import von Instabilität überwältigt. Trotz, oder gerade wegen der Krise im Euroraum bleibt Europa für Schüssel die Lösung. Europa als Bedrohung zu sehen bedeute ein schlimmes Eigentor.
Da war ja noch Ueli Maurer
Ach ja, da war noch eine Rede von Bundespräsident Maurer, formal als Kernstück des sehr gut besuchten öffentlichen Teils des Forum vorgesehen. Allerdings ist nichts Neues darüber zu berichten. Der Tenor von M.’s Reden, am Nationalfeiertag, vor der UNO oder den Botschaftern in der Schweiz - oder eben nun am Europaforum bleibt derselbe: Anstatt die Kleinen zu plagen, würde der Rest der Welt besser am schweizerischen Wesen genesen. In Luzern weitete Maurer dies gleich noch auf alle Schweizer aus, welche nicht mit seiner Meinung übereinstimmen. Auf jene welche mitunter angesichts von rechter Abschottung ein ‘Unbehagen im Kleinstaat’ verspüren.
Da blieb es dem souveränen Tagungsmoderator Jan Atteslander, Direktionsmitglied von economiesuisse vorbekalten, ein kurzes Fazit aus all den verschiedenen Aussensichten auf die Schweiz zu ziehen. Das schweizerische Image sei grundsätzlich intakt, funktioniere aber teilweise nicht mehr. Die politische Schweiz sei nach der europäischen Zeitenwende von 1990 etwas eingeschlafen. Der helvetische Rip van Winkel brauche neue Impulse und etwas mehr Geschwindigkeit.
Dies forderte auch der Luzerner Finanzdirektor, Regierungsrat Marcel Schwerzmann, welcher als Parteiloser das politische Bern beschwor, den Rythmus der Entscheidungen zu erhöhen. Seine entsprechenden Begrüssungsworte an die Forumsteilnehmer werden hier an den Schluss gestellt, da sein Aufruf zur Tat den Kreis zu Sisiphus als archtypischem Mann der Tat schliesst.