Begleitet von einigen amerikanischen B-1B-Bombern, drangen Ende Mai, anfangs Juni vier griechische F-16-Kampfflugzeuge in den nordmazedonischen Luftraum ein. Was noch vor zwei Jahren undenkbar schien, warf in Westeuropa keine Wellen und wurde in Griechenland nur kurz gemeldet.
Es handelte sich um eine Mission im Rahmen der Skopje Flight Information Region (FIR), eine strategische Nato-Langstreckenmission über europäischen Ländern und in der Schwarzmeerregion.
Namensstreit erfolgreich beigelegt
Nachdem das Mazedonienproblem zwischen Griechenland und Nordmazedonien im letzten Jahr mit dem Vertrag von Prespes gelöst wurde, setzen die beiden Länder die Vereinbarung jetzt still und leise, aber zügig um. Ende März wurde deshalb Nordmazedonien als dreissigstes Mitglied in den Nato-Verteidigungspakt aufgenommen.
Die Geschichte dieses Problems war eine der vertracktesten auf dem an leidvollen Erfahrungen reichen Balkan und reicht zurück bis mindestens zum Frieden von San Stefano im Jahr 1876.
Die heutige griechische Regierung war beim Abschluss des Vertrags von Prespes in der Opposition und gegen den Deal. Heute nutzt sie aber jede Gelegenheit, um zu betonen, dass sie den von der vorherigen linksradikalen Regierung unterzeichneten Prespes-Vertrag vollständig einhalten wird. Offenbar hat sich in Hellas die Ansicht durchgesetzt, dass der Vertrag den geopolitischen Interessen des Landes dient.
In Nordmazedonien stösst der Deal immer noch auf Widerstand. Die Stimmung ist stark polarisiert, weil das Land demnächst Parlamentswahlen abhalten wird. Diese waren ursprünglich für den 12. April geplant, mussten jedoch aufgrund der Besorgnis über das Coronavirus verschoben werden.
Unter dem griechischen Schirm
Die nordmazedonischen Streitkräfte sind klein und mit Material ausgestattet, das noch aus sowjetischer Produktion stammt. Die Luftwaffe ist praktisch inexistent, denn sie verfügt über keine eigenen Kampfflugzeuge und Abfangjäger. Dass ein Land innerhalb der Nato einem anderen die Luftraumüberwachung überträgt, ist nichts Neues. Belgien überwacht zum Beispiel den Luxemburger Luftraum und Ungarn den slowenischen. Dass aber bereits im letzten Jahr im Anschluss an den Vertrag von Prespes eine militärische Kooperation vereinbart wurde, in deren Rahmen Griechenland die Luftraumüberwachung im Nato-Beitrittsland Nordmazedonien übernimmt, zeigt, dass dieses Abkommen eine Erfolgsgeschichte werden könnte.
Dass griechische Kampfflugzeuge den nordmazedonischen Luftraum schützen, ist nicht nur eine Geste mit Symbolik. Es ist damit gelungen, die Ambitionen anderer regionaler Akteure in Schach zu halten. Sowohl die Türkei als auch Bulgarien hatten sich darum beworben, Luftpolizeidienste für Nordmazedonien zu übernehmen. Damit hätten sie ihren Einfluss auf den nördlichen Nachbarn Griechenlands ausgedehnt. Die Türkei hat sogar angeboten, die Polizeiarbeit für die FIR Skopje ab einer neu zu errichtenden türkischen Militärbasis im Balkanstaat sicherzustellen.
Die griechische Luftwaffe überwacht auch den Luftraum von zwei weiteren Balkanstaaten – Montenegro und Albanien. Griechenland setzt damit seine militärische Macht im Rahmen kollektiver Entscheidungen und mit der Zustimmung der am System beteiligten Länder ein. Und nicht, um Druck auszuüben oder willkürliche Ansprüche durchzusetzen.
Die Nato-Mitgliedschaft Nordmazedoniens wird die bilaterale Verteidigungszusammenarbeit zwischen Skopje und Athen erleichtern. Griechenland ist nun der natürliche Partner des Balkanlandes nicht nur inbezug auf Sicherheit, sondern auch inbezug auf wirtschaftliche Entwicklung und Handel. Gleichzeitig beruhigt das die geostrategische Tektonik des Balkans – etwas, das man sich auch im Verhältnis zur Türkei wünschen würde. Eine solche Entwicklung wäre ohne die Vorarbeit der Regierung Tsipras und ohne das Prespes-Abkommen nicht möglich gewesen.
Wer hätte das vor zwei Jahren gedacht! So löst man Probleme!