Die Eidgenössischen Räte haben deshalb kürzlich eine obligatorische Erdbeben-Versicherung für Hauseigentümer beschlossen. Ist dies nicht unnötig, weil starke Erdbeben bei uns nur sehr selten vorkommen?
Grosse Erdbeben in der Schweiz sind sehr selten. 1356 war das verheerende Beben in Basel, welche nahezu die ganze Stadt zerstörte. Die Stärke wurde mit 6,6 auf der Richterskala eingestuft. Die im Mittelalter beginnenden Aufzeichungen führen in jedem Jahrhundert durchschnittlich 1 – 2 grössere Erdbeben in der Schweiz auf. Sehr oft im Wallis, aber auch in der Innerschweiz und im Kanton Graubünden.
Gemäss Experten ist die Wahrscheinlichkeit für ein starkes Beben in der Schweiz zwar gestiegen. Dennoch gibt es keinen Grund überängstlich zu sein. Sollte aber in einer grösseren Stadt wiederum ein Erdbeben mit einer Stärke von 6,6 auftreten, wäre der Schaden gemäss Schätzungen –je nach Fall- mehrere 10 Milliarden Franken. Also : Erdbeben treten bei uns zwar selten auf, sie stellen aber aufgrund der dichten Besiedelung und der hohen Konzentration an Sachwerten die Naturgefahr mit dem grössten Zerstörungspotential dar. Wer soll nach einer solchen Katastrophe den Wiederaufbau bezahlen ? Nur mit einem angemessenen Versicherungsschutz würden nach einem Erdbeben rasch die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, um den Wiederaufbau in Angriff zu nehmen. Auf den Staat könnte in solchen Fällen nur beschränkt gegriffen werden, hätte sich dieser doch in erster Linie auf den Wiederaufbau der eigenen Infrastruktur zu fokussieren.
Kommt hinzu, dass die meisten Hausbesitzer davon ausgehen, dass sie für solche Elementarschäden versichert sind, wie gegen Feuer, Sturm, Hochwasser usw. Da irren sie sich. Erdbeben sind die einzige Elementarschadengefahr, die nicht gesetzlich geregelt ist. Die meisten Gebäude in der Schweiz sind nicht gegen Erdbebenschäden versichert. Wenn eine Katastrophe eintritt, Häuser zerstört werden, kann dies auch für die Ueberlebenden existenzbedrohend werden.
Eine Frage der Solidarität
Seit Jahren ist das bekannt. Dennoch wurde seit Jahren eine obligatorische Versicherung abgelehnt. Es fehlte eine gesamtschweizerische Solidarität. „Was brauchen wir eine Versicherung für ein Ereignis, das bei uns kaum eintritt“, vernahm man aus den Kantonen, die noch nie ein starkes Erdbeben verzeichneten. Eine klare Mehrheit der Kantone war gegen ein Versicherungsobligatorium. Dies entgegen der Solidarität, die z.B. im Falle von Lawinenniedergängen spielt. Die Basler beispielsweise zahlen mit ihrer Elementarschadenversicherung auch mit für Lawinenschäden in Graubünden, obwohl in Basel sicher nie eine Lawine niedergehen wird.
Diese Solidarität gibt es also heute im Falle von Erdbeben nicht. Weil aber besorgte Hausbesitzer in den potentiellen Erdebenkantonen ihr Haus dennoch versichern wollen und die Versicherer entsprechende Produkte anbieten, sind die Prämien recht hoch: zwischen 300 und 500 Franken durchschnittlich im Jahr für ein kleines Einfamilienhaus im Wert von einer halben Million Franken.
Tiefere Prämien
Ein Obligatorium für alle Kantone hat logischerweise eine Senkung der Prämien zur Folge. Die Versicherer rechnen mit einer monatlichen Prämie von 4 Franken, also 48 Franken im Jahr – bei einem Schadenereignis von max. 10 Milliarden und einem Selbstbehalt von 10 %. Damit wäre nicht nur das Haus, sondern auch die Fahrhabe bis 100‘000 versichert.
Nachdem der National-und Ständerat nun entsprechende Vorstösse in der soeben zu Ende gegangenen Frühjahrssession überwiesen hat, muss der Bundesrat nun einen Vorschlag für eine obligatorische Erdbebenversicherung mit landesweit einheitlichen Prämien ausarbeiten. Privatversicherer und kantonale Gebäudeversicherer fordern dies seit langem. Seit 2005 arbeiten sie an konkreten Lösungen und entsprechenden Vorschlägen. Es ist höchste Zeit, dass die Politik ihnen gefolgt ist.
Norbert Hochreutener, ehem. Nationalrat CVP