Genau zum richtigen Zeitpunkt zeigt das Alpine Museum der Schweiz mit „Bergsteigen im Medienzeitalter“ eine aufschlussreiche Ausstellung.
Das erste Foto vom K2
Das erste Foto vom K2 schiesst der Neuenburger Arzt und Bergfotograf Jules Jacot Guillarmod 1902. Sein Versuch, den wohl schwierigsten aller 8000er zu besteigen, scheitert nach einem zweimonatigen Kampf gegen Höhenkrankheit, Kälte und Unwetter. Nach langem Ausharren bis hinauf auf eine Höhe von 6700 Metern sind die Expeditionsteilnehmer derart geschwächt oder krank, dass das Unternehmen abgebrochen wird, zuletzt aber vor allem wegen Zerwürfnissen und gegenseitigen Beschuldigungen innerhalb des Teams.
Zur grossen Enttäuschung Jacot Guillarmods, der in seinem Tagebuch verbittert notiert: „Das Schlussergebnis, ein herrlicher Schiffbruch im Hafen…“ Die Expeditionsteilnehmer werden in der Schweiz hingegen wie eine Siegerequipe gefeiert und der Neuenburger füllt mit der Vorführung seiner erstmaligen K2-Bilder – auf selber entwickelten Glasplatten - die Säle. Dies lässt den Misserfolg rasch vergessen und kurz später bereits wieder Lust auf neue Bergabenteuer aufkommen.
Die Kangchenjunga-Katastrophe
Eine eigentliche Himalaja-Katastrophe holt Jules Jacot Guillarmod und seine Bergkameraden drei Jahre später am Kangchenjunga (Sikkim) ein: Nachdem beim Aufstieg bereits ein Sherpa zu Tode stürzt, wird die Seilschaft am 1. September von einer Lawine mitgerissen, einzig Jules Jacot Guillarmod und Rigo De Righi überleben, Alexis Pache und drei Sherpas finden den Tod. Die Expedition wird abgebrochen.
Jacot Guillarmod dokumentiert das Drama in 3D-Fotografien, die in der jetzigen Ausstellung gezeigt werden. Diese und andere Expeditionen kennzeichnen klar die Rolle, welche Bergsteiger damals im Himalajagebiet verkörpern: Es sind Pioniere, welche eine Welt erobern und abbilden, die den meisten Erdbewohnern noch verschlossen bleibt: Sie sind Abenteurer, Entdecker, Eroberer.
„Dämon des Himalaya“ – der Spielfilm
Jahre später, der Tonfilm als neues Medium kommt auf, realisiert der deutsche Geologieprofessor und Bergsteiger Günter Oskar Dyhrenfurth einen Himalaja-Spielfilm, teils mit Originalszenen, teils mit Schauspielern nachgestellt. „Dämon des Himalaya“ (Dyhrenfurth an der Ausstellungsvernissage: „Man betont Himalaya“!) wird u.a. am 7300 Meter hohen Gasherbrum gedreht.
Der als „Dokumentarfilm“ deklarierte Streifen läuft in den Kinos der Schweiz und in Deutschland. Nun tritt eine neue Gilde Himalaja-Protagonisten auf: Jetzt sind es nationale Helden, die im Namen von Ländern, oft im Wettbewerb zu andern, die 7000er und 8000er erobern. Dyhrenfurths Film geht den aufkommenden Nationalsozialisten allerdings zu wenig weit und wird in Deutschland als zu wenig patriotisch scharf kritisiert: Der Berg besiegt die Helden, sie sind zu wenig standhaft, zu wenig nationalistisch…
Spätere Expeditionen zeigen diese Entwicklung deutlich: Es sind nicht mehr Einzelkämpfer, wie zur Jahrhundertwende, sondern Länder, die um die Eroberungen der höchsten Berge kämpfen: Wie Russen und Amerikaner im Wettstreit um den Weltraum, wetteifern Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien und auch die Schweiz um die Erstbesteigung des „dritten Pols“, des Mount Everests. Dies gelang dann am 29. Mai 1953 dem Neuseeländer Edmund Hillary zusammen mit dem nepalesische Sherpa Tenzing Norgay. Die erste Schweizer Everest-Besteigung erfolgte kurz später 1956.
Reinhold Messner, der Unternehmer
Zahlreiche andere bezwingen nun die höchsten Berge im Himalaja. Als „1968er“ sagt sich der Südtiroler Reinhold Messner bewusst vom „Bergnationalismus“ los und geht – ohne Gipfelfahne - als Einzelkämpfer Rekorde an. Damit verkörpert er, als Bergsteiger, Buchautor, Filmproduzent, Starreferent, Politiker und Schlossbesitzer, eine weitere, neue Kategorie von Himalaja-Athleten: Den waghalsigen Unternehmer und naturverbundenen Geschäftsmann.
Er sieht sich aber auch als „Stellvertreter“ und Vermittler für all jene, welche sich nie eine derart extreme Bergbesteigung leisten können. Zu dieser Kategorie der Selbstinszenierer, die jetzt als „eigene Marke“ auftreten, gehören heute auch – mit Nuancen – ein Ueli Steck, Stephan Siegrist, David Lama, eine Evelyne Binsack oder Gerlinde Kaltbrunner.
„Wir reflektieren den Augenblick aus der Distanz“
Diese Entwicklung vom Pionier über den Nationalhelden zum Unternehmer zieht sich als roter Faden durch die multimediale und attraktiv gestaltete Ausstellung und wird auch von Museumsdirektor Beat Hächler bestätigt: „Unsere Ausstellung ist eine Zeitreise zwischen 1900 und der Gegenwart. Wir wollen reflektieren, was sich in dieser Zeit verändert hat und machen etwas, was ein Bergsteiger beim Klettern in der Wand nie machen darf: Sich selber aus Distanz betrachten. Er erlebt den Augenblick, ihn beschäftigt der nächste Griff. Wir wollen in fünf Kapiteln zeigen, wie sich die Rolle der Extrembergsteiger verändert hat.
Es geht uns dabei weniger darum, wer, wann welche Berge bestiegen oder wie sich die Ausrüstung geändert hat. Wir lassen sie selber in der jeweiligen Perspektive von der grossen Faszination erzählen.“ Nicht zuletzt haben die Medien die Faszination Bergsteigen mit-verändert. Und wo Sensationen im Fokus stehen, ist auch der Kommerz nicht mehr weit weg. Aber, so Hächler, „da sind Bergsteiger noch meilenweit von Fussballern entfernt!“
Die Ausstellung „Himalaya-Report. Bergsteigen im Medienzeitalter“ ist im Alpinen Museum der Schweiz, Helvetiaplatz 4 in Bern bis 26. Juli 2015 zu sehen. Sie wird u.a. finanziell unterstützt vom Bundesamt f. Kultur, Kanton Bern, SAC und von der DEZA. www.alpinesmuseum.ch
Diskussionsblog auf www.himalayareport.ch