In einem ersten Beitrag habe ich aktuelle Ereignisse in Asien aufgezählt, welche darauf hindeuten, dass der seit rund 35 Jahren anhaltende und voraussichtlich noch keineswegs abgeschlossene Aufstieg Chinas den Grossraum Asien-Pazifik in einen kalten Krieg führen könnten. Neben diesen sicherheitspolitischen Anzeichen häufen sich auch solche wirtschaftlicher Natur.
China ist mit seinen Nachbarn, wie mit dem Rest der Welt, wirtschaftlich so stark verbunden, dass grundsätzlich alle beteiligten Parteien in einem Konflikt nur verlieren können. Indes ist für nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen ein Minimum an gegenseitigem Vertrauen unabdingbar. Vertrauen darauf, dass die eigene Präsenz im anderen Land, speziell natürlich geistiges Eigentum geschützt bleibt, dass Vertragsbestimmungen eingehalten werden und bei kommerziellen Meinungsverschiedenheiten eine unabhängige, nationale oder internationale, Instanz angerufen werden kann.
Effizient und verwundbar
An der Oberfläche spielt China sowohl multilateral - mit seinem Beitritt Ende 2011 in die Welthandelsorganisation WTO - als auch regional und bilateral - mit Freihandelsverträgen - mit im globalen Konzert der Wirtschaftsbeziehungen. Diese bestehen einerseits aus dem klassischen Austausch von Produkten, Dienstleistungen und Kapital, aber auch immer mehr in Form globaler Produktions- und damit Wertschöpfungsketten. Letztere sind ebenso effizient wie verwundbar, wenn einmal an einer Stelle ein Unterbruch eintritt.
Solche Unterbrüche sind oft politischer Natur, haben aber, gewollt oder ungewollt, auch wirtschaftliche Folgen. Ein klassisches Beispiel dafür spielt sich im Moment in der Schweiz ab, wo Wirtschaftsunternehmen wegen politischen Entscheiden des Souveräns, speziell der Annahme der sogenannten Masseneinwanderungsinitiative ihre transnationalen Produktionsketten wegen drohendem Fachkräftemangel in Gefahr sehen.
Besuch von Beamten bei Roche
Auf dem ungleich grösseren Marktplatz China sorgt die laufende Regierungskampagne gegen Korruption für Unruhe. Selbstverständlich ist die Eliminierung von Korruption im Wirtschaftsleben an sich eine gute Sache. Nur muss klar zum Ausdruck kommen, dass unter diesem Mantel nicht noch ganz andere Interessen vorangetrieben werden.
Das aktuellste solche Beispiel beschlägt den Pharmamarkt. Die britische Firma GlaxoSmithKline GSK wird beschuldigt, sich bei der Verteilung ihrer Medikamente via das chinesische Gesundheitssytem unlauterer Methoden bedient zu haben. Einzelne hohe Verantwortliche sind konkret von strengen Strafen bedroht. GSK scheint aber nichts anderes gemacht zu haben, als der entsprechenden Usanz zu folgen. Undenkbar, dass letztere in einem so eng kontrollierten System nicht allen chinesischen Verantwortlichen bekannt war. Nach GSK scheint nun Roche an der Reihe zu sein, dessen Niederlassung in Hangzhou vor kurzem den Besuch von Beamten einer Regulierungsbehörde erhielt.
Cyber-Hacking
Nun lässt sich hier einwenden, dass das offiziell verfolgte Ziel solcher Massnahmen, dem chinesischen Verbraucher möglichst günstige Medikamentenpreise zu garantieren ja durchaus lobenswert sei. Nur ist in China weder klar, noch kann durch eine unabhängige Richtstelle festgestellt werden, ob nicht der Schutz einheimischer Hersteller und die kostenlose Aneignung von Produktionsmitteln im Vordergrund steht.
Die gegenwärtige chinesisch-amerikanische Kontroverse über Cyber-Hacking scheint auf zumindest doppelbödiges Vorgehen des chinesischen Staates hinzudeuten. Auch hier erfolgt zunächst oft der Einwand, dass sei ja wohl ein bilaterales Problem mit Fehlverhalten beider Seiten. Wie der NEA-Abhörskandal gezeigt hat, sind die Amerikaner tatsächlich übereifrige und illegale Lauscher sowohl im politischen, als auch im wirtschaftlichen Sektor. Indes ist Washingtons Versicherung, Ziel der Informationsbeschaffung seien Landes-, und nicht wie im Falle Chinas kommerzielle Intressen mehr als eine Schutzbehauptung.
“WTO-Gegner”
Dies zeigt sich speziell deutlich am Beispiel der Klage bei der WTO, welche von verschiedenen, aber alles nichtchinesischen Produzenten von Solarenergiepanel eingereicht worden ist, wegen ruinösem Preisdumping durch chinesische Hersteller. Wie aus den amerikanischen Klageschriften gegen einzelne Offiziere der chinesischen Volksarmee hervorgeht, richtet sich das erwähnte Cyber-Hacking auch gegen Solar-Firmen, welche in keiner Weise in China tätig sind und allein als ‘WTO-Gegner’ in deren Visier gerieten.
Weiter handelt es sich keineswegs nur um ein Problem zwischen den USA und China mit primär sicherheitpolitischem Anstrich. Deutschland als grösster Handelspartner Chinas (Exporte von 67 Mia. Euro 2013) ist ebenfalls direkt betroffen von aggressivem chinesischen Cyber-Hacking. Die elektronischen Abwehr- und Vorsichtsmassnahmen beispielsweise der deutschen Autobranche - deren internationale Produktionsketten ja auch hochspezialisierte Produkte schweizerischer Herkunft einschliessen - in China selbst und im Verkehr mit China sind enorm. KMUs mit viel eigener Technologie sind generell Zielscheiben sytematischen Cyberangriffen in China und im vermehrten Masse auch global, haben aber weniger Möglichkeiten als Mercedes und BMW, sich selbst zu schützen.
Dies gilt auch und gerade für schweizerische Firmen. Für diese dürfte es verhängnisvoll sein, sich in trügerischer Sicherheit eines künftigen bilateralen Freihandelsvertrages sowie einer vermeitlich ‘neutralen’ Herkunft zu wiegen. Der chinesische Markt ist anders als gewöhnliche Exportmärkte und erinnert mit den eben geschilderten Gefahren in dieser Hinsicht durchaus an alte Bekannte. Zum Beispiel an sowjetische, und an alte osteuropäische Märkte.