Das hochverschuldete Italien soll nach dem Willen der neuen Regierung noch mehr Schulden machen. Das Defizit soll um 0,8 Prozent auf 2,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts erhöht werden. Mit den damit lockergemachten 20 Milliarden Euro will die Regierung die Steuern für eine Million Selbstständigerwerbende reduzieren. Das Pensionsalter soll wieder teilweise gesenkt werden. Für 6 Millionen arme Italienerinnen und Italiener soll ein Grundeinkommen eingeführt werden, die Mindestpension soll angehoben werden.
Kurz: Man verteilt Geld für Bedürftige, erhöht ihre Altersrenten und Sozialabgaben. Sollten dann diese Menschen wirklich profitieren, werden sie sich freuen und bei den nächsten Wahlen die regierende rechtspopulistische Lega und die wirr-populistischen „Cinque Stelle“ wählen. Doch irgendwann sind dann die 20 Milliarden aufgebraucht.
Wirtschaftsexperten schaudert es
Ausser der griechischen wächst keine europäische Wirtschaft so schleppend wie die italienische. Der Grund sind völlig verkrustete Wirtschaftsstrukturen, eine lächerliche Regulierung und eine ebenso lächerliche Bürokratie. Doch der neue Haushaltsplan, den Matteo Salvini und Luigi Di Maio jetzt durchboxen wollen, sieht keine Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft vor. Wenn man ausländische Investoren abschrecken und vor den Kopf stossen will, dann ist es Salvini und Di Maio jetzt gelungen.
Wirtschaftsexperten im In- und Ausland schaudert es ob der wirtschaftspolitischen Vorstellungen der neuen Regierung. Die Stossrichtung sei „dilettantisch“, „unverantwortlich“, „pubertär“ „ein falsch verstandener Keynesianismus“. Das Land werde so noch weiter in den Ruin geritten. Selbst der italienische Wirtschaftsminister Giovanni Tria, ein Fachmann, wehrte sich energisch gegen diese Wirtschaftspolitik. Doch er konnte sich nicht durchsetzen, liess sich von Salvini und Di Maio über den Tisch ziehen und gab schliesslich nach. Seinen erwarteten Rücktritt reichte er nicht ein. Sein Amt ist ihm wichtiger als seine Überzeugung.
„Was die EU sagt, ist uns egal“
Italien steuert nun auf einen totalen Crash mit der EU hin. Brüssel wird den Wirtschaftsplan nie und nimmer akzeptieren. „Italien ist ein souveränes Land“, sagt Matteo Salvini, „was die EU sagt, ist uns egal“. Vielleicht sollte man den Innenminister daran erinnern, dass es diese EU war und ist, die das seit Jahrzehnten schwächelnde Belpaese mit vielen, vielen Milliarden unterstützt und teils über Wasser hält.
Die Märkte haben schon reagiert. Die Börse verliert, die Renditen italienischer Anleger steigen. Die Ratingagenturen werden wohl demnächst Italien noch weiter hinunterstufen.
Die Medien im In- und Ausland halten mit Kritik an der abenteuerlichen Wirtschaftspolitik nicht zurück. Auch die die grossen italienischen Zeitungen (Corriere della sera, Repubblica, La Stampa) lesen Salvini und Di Maio die Leviten.
„Feinde Italiens“
Und wie gehen die Populisten mit dieser Kritik um? Donald Trump nennt die Medien, die ihm nicht genehm sind, Fake-News-Organe und „Abschaum“ (Scum). Doch Trump ist im Vergleich zu den italienischen Populisten fast schon ein Sonntagsschüler.
Vizeministerpräsident Di Maio bezeichnet die Journalisten, welche die italienische Marschrichtung kritisch hinterfragen, als „Feinde Italiens“ und „Terroristen“ – und das in einem Land, das traurige Erfahrung mit wirklichen Terroristen gemacht hat.
Mehr noch: Die Medien würden im Schlepptau mit der EU und der internationalen Wirtschaft „ein Komplott gegen Italien“ einfädeln, „um die gewählte Regierung zu stürzen“. Mit Verschwörungstheorien hielten sich Populisten nie zurück.
Auch die Attacken gegen die EU, gegen Angela Merkel, gegen Pierre Moscovici und Jean-Claude Juncker werden recht unappetitlich. „Wir weichen keinen Millimeter“, sagte Di Maio am Dienstag.
Kalkulierter Bruch mit der EU?
Auch Staatspräsident Sergio Mattarella, ein vernünftiger früherer Verfassungsrichter, kriegt immer mehr kalte Füsse. Er führt zurzeit intensive Konsultationen, auch mit der Regierungsspitze. Er weiss, dass sich Italien einen Bruch mit der EU nicht leisten kann.
Oder: Wollen Salvini und Di Maio mit ihrer aggressiven Politik bewusst einen solchen Bruch provozieren – und damit einen Ausstieg aus dem Euro? Das sind alles Spekulationen, die allerdings zurzeit in Rom als keineswegs abwegig gehalten werden. Ein Bruch Italiens mit der EU wäre auch ganz im Sinn von Steve Bannon, mit dem Salvini enge Kontakte hat. Bannon, der einstige Trump-Adlatus, sagt offen, er wolle jetzt vor allem in Europa tätig sein und helfen, „die alte Ordnung zu zerstören“. Sowohl der Lega-Chef als auch der Anführer der Cinque Stelle haben sich im Wahlkampf immer wieder zweideutig zur EU und zum Euro geäussert.
Merke:
- Paragraph 1 im Handbuch der Populisten lautet so: „Den andern die Schuld geben“.
- Paragraph 2: „Alle sind gegen uns, wir müssen uns wehren, und wir wehren uns.“
- Paragraph 3: „Baue ein Feindbild auf“.
- Paragraph 4: „Greife die Medien an.“
- Paragraph 5: „Sprich von internationaler Verschwörung.“
- Paragraph 6: „Wiederhole stets, dass alles zum Wohle des Volkes geschieht.“
Die Botschaft ist simpel: „Schuld sind die andern. Wir Italiener wären schon gut und stark, wenn es nur nicht die EU gäbe“.