Italien wählt spätestens im kommenden Frühjahr ein neues nationales Parlament. Deshalb galten die Kommunalwahlen als wichtiger Stimmungstest. Allzu wichtig sind sie vielleicht aber doch nicht. Die Wahlbeteiligung in der gestrigen Stichwahl lag bei 47 Prozent und damit 12 Prozent tiefer als im ersten Wahlgang vor zwei Wochen. Die Italienerinnen und Italiener scheinen politikmüde zu sein. Immer die gleichen Versprechen und das Land kommt aus der Krise nicht heraus.
Matteo Renzi, der sozialdemokratische Parteisekretär, versucht die Bedeutung der Kommunalwahlen herunterzuspielen. Mit gutem Grund. Renzis „Partito Democratico“ (PD) hat nicht gut abgeschnitten. Vor allem der Verlust der traditionell linken Hochburg Genua schmerzt den PD. Jahrelang war die ligurische Hafenstadt von Bürgermeistern des Mitte-Links-Lagers regiert worden. Die Stichwahl am Sonntag gewann jetzt der politisch unerfahrene Chemiker und Mitte-Rechts-Kandidat Marco Bucci im Duell gegen Mitte-Links-Kandidaten Gianni Crivello.
Streit mit Beppe Grillo
Vor allem die Lombardei ist wieder fest in den Händen der rechten Mitte. Auch in den wichtigen Städten Verona und La Spezia gewinnt die Rechte, ferner unter anderem in Piacenza, Alessandria, L’Aquila, Catanzaro und Pistoia.
Nationale Aufmerksamkeit kam der Wahl in Parma zu. Dort kandidierte der amtierende Bürgermeister Federico Pizzarotti erneut – und wurde wiedergewählt. Pizzarotti war vor fünf Jahren als Kandidat der Protestbewegung „Cinquestelle“ angetreten. Er überwarf sich dann aufs Übelste mit dem Fünf-Sterne-Chef Beppe Grillo und kandidierte jetzt als Unabhängiger, nachdem ihn Grillo aus der Partei geworfen hatte. Seine klare Wiederwahl (57 Prozent der Stimmen) ist eine weitere Schmach für Grillo. Die Fünf Sterne konnten keine der grösseren Städte (ausser Carrara) erobern.
Weht „der Wind des Wandels“?
Der 80-jährige Berlusconi schreibt das starke Abschneiden der Rechten vor allem sich selbst zu. Er habe sich wieder im politischen Geschäft stark engagiert – deshalb der Aufschwung. „Ich schreibe bereits am Wahlprogramm für die kommenden nationalen Wahlen“, sagt Berlusconi. Auch der Fraktionschef von Berlusconis Forza Italia jubiliert. „Der Wind des Wandels weht“, sagt Renato Brunetta, ein enger Vertrauter Berlusconis. Forza Italia hat harte Zeiten hinter sich. Die Partei kam lange Zeit in Meinungsumfragen nicht über 12 Prozent heraus.
Doch nicht allen Bürgerlichen behagt der neue Aufschwung der rechten Mitte. In mehreren Städten und Gemeinden wurde er nur möglich, weil sich Berlusconi mit der rechtspopulistischen, teils arg ausländerfeindlichen Lega Nord verbündete. Matteo Salvini, der immer wieder rassistisch auftretende Parteisekretär der Lega, posaunt bereits ins Land hinaus, die Lega werde mit der Berlusconi-Partei die neue nationale Regierung bilden. In einem Tweet spricht Salvini von einer „positiven Sensation“.
Masochistische Zerreissprobe
Die Linke leckt ihre Wunden. Zwar ist ihr Krebsgang nicht dramatisch, der Partito Democratico verfügt noch immer über mehr Bürgermeister als die Berlusconi-Partei. Doch im Hinblick auf die kommenden nationalen Wahlen hatte Renzi ein klar besseres Ergebnis erwartet. „Es hätte besser gehen können“, gesteht er kleinlaut.
Ettore Rosato, der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus, spricht Klartext: „Die Wahlen sind schlecht herausgekommen. Wir haben verloren.“ Wie immer bei Verlusten hat in der linken Familie bereits eine fast masochistische Zerreisprobe begonnen. „Mit Renzi gewinnen wir nicht“, sagen Vertreter des linken Flügels der Linken.
„Zu viele Brüche, zu viele Strömungen“
Der frühere Ministerpräsident erklärt nicht zu Unrecht, dass das schlechte Abschneiden der Linken auf die Flügelkämpfe innerhalb der Linken zurückzuführen seien. Er spricht von „fortgesetztem Murren“ in den eigenen Reihen. Es gebe „zu viele Brüche, zu viele Strömungen“.
Andrea Orlando, ein Gegenspieler Renzis, kommentierte: „Jetzt müssen wir die linke Mitte sofort neu aufbauen.“ Damit meint er: ohne Renzi. Im Frühjahr hatten mehrere bekannte Vertreter des Partito Democratico die Renzi-Partei verlassen und eigene Formationen gegründet. Sie werfen dem früheren Ministerpräsidenten vor, zu wenig links zu sein. Die Zerstrittenheit der italienischen Linken hat eine lange Tradition.
Zunehmender Druck auf Renzi
Zwar hat Renzi recht, wenn er sagt, Kommunalwahlen seien nicht nationale Wahlen. Und doch lasten die jetzigen linken Verluste auf dem ehemaligen Ministerpräsidenten, der angetreten ist, um erneut Regierungschef zu werden. Der Druck auf ihn wird erheblich zunehmen.
Und die Berlusconi-Partei, die in nationalen Umfragen noch immer dahindümpelt, hat neuen Mut gefasst, doch nicht unterzugehen. Doch ihre jetzigen Erfolge sind vor allem auf die Schwäche ihrer Gegner zurückzuführen. Denn Neues hat Berlusconi nicht zu bieten. Und auch er ist noch immer der Alte geblieben: „An Trump gefällt mir vor allem seine Frau“, sagt er.