„Die Militärdiktatur, die 1985 zu Ende ging, hat weniger Opfer gefordert als die heutige Kriminalität“, sagen Bolsonaros Anhänger. Also zurück zu einer Art Militärherrschaft? Der siegreiche Kandidat der ersten Wahlrunde hat tatsächlich durchblicken lassen, dass er die Macht des Militärs radikal stärken will. Wenn nötig, wolle er die Generäle zur Hilfe rufen. Bolsonaros Stellvertreter ist ein bekannter General.
Auch wenn sich Bolsonaros Gegner im zweiten Wahlgang in drei Wochen hinter dem zweitplatzierten linken Kandidaten Fernando Haddad scharen, wird dies – heutiger Stand – kaum ausreichen, um den Hassredner zu verhindern.
Angesichts der Korruption, der Rezession, der Arbeitslosigkeit und der grassierenden Kriminalität sehnen sich viele Brasilianerinnen und Brasilianer nach einer starken Hand. Das ist verständlich. Doch der Mensch, den sie da wählen, könnte alles nur noch schlimmer machen. Wie es Diktatoren zu tun pflegen, sprach er bereits von Wahlbetrug. Er habe nicht 46 Prozent der Stimmen erhalten, sondern über 50 Prozent. Ohne Wahlfälschung wäre er bereits Präsident. Seine unappetitliche, frauenfeindliche Rhetorik scheint seinen Erfolg nicht zu schmälern. Die Frauen seien „zum Vergnügen der Männer“ da. Einer Politikerin rief er zu, sie sei „zu hässlich, um vergewaltigt zu werden“.
Dass viele Frauen ihn gewählt haben, erstaunt. Die Medien brauche es nicht, sagt er. Er kommuniziere per Twitter. Politische Gegner sollten notfalls „liquidiert“ werden. Schwule wären „am besten nie geboren“. Schwarze seien „zu dumm, um Kinder zu kriegen“. Beraten wurde Bolsonaro vom ehemaligen Trump-Adlatus Steve Bannon. Ein konkretes Programm zur Bewältigung der Krise hat Bolsonaro nicht. Es ist nicht anzunehmen, dass er die Probleme lösen wird.
„Nunca mais!“, „nie wieder!“, schrien viele, als 1985 die Militärdiktatur mit ihren Menschenrechtsverbrechen zu Ende ging. Doch 33 Jahre nach dem Ende der brasilianischen Militärherrschaft sind die Brasilianer und Brasilianerinnen dabei, das Rad zurückzudrehen, der Demokratie einen schweren Schlag zu versetzen – und einen faschistoiden Hetzer auf den Präsidentenstuhl zu setzen.