Die deutsche Wochenzeitung «Die Zeit» hat in ihrer jüngsten Ausgabe eine Artikelserie begonnen, die dem Aufklärer Gottfried Wilhelm Leibniz Ehre macht. Grundlage ist eine Untersuchung, wieweit die Deutschen pessimistischen Aussagen zum Stand der Dinge zustimmen. Bei den Themen Umwelt, allgemeiner Egoismus, Dritte Welt, Ernährung, Kriminalität, Familie und Gesundheit sind jeweils Mehrheiten der Meinung, die Zustände seien schlechter als früher. Dem Stimmungsbild stehen jedoch die Tatsachen diametral entgegen. In genau diesen Bereichen kann die Artikelserie nämlich Fortschritte und Verbesserungen für die Menschen nachweisen. Gründe der Diskrepanz liegen in Mechanismen der Medien: Zur Nachricht wird, was von einer Norm abweicht. Atavistische Reflexe zur Wahrnehmung von Gefahren tun ein Übriges. Condition humaine und Handelswerte auf dem Markt der Aufmerksamkeit verzerren die Weltsicht nicht nur der Deutschen. Wir neigen dazu, Negatives übermässig zu gewichten. Dem stellte Leibniz die oft vorschnell belächelte These von der besten aller Welten entgegen. Sie war logisch raffiniert begründet, auch wenn sie auf seither fraglich gewordenen Annahmen beruht. Der intellektuelle Schwung des Leibniz’schen Denkens bezog seine Kraft sowohl aus einer eleganten Argumentation wie aus einem Grundvertrauen in die Welt und ihre noch zu erschliessenden Möglichkeiten. Dass eine Zeitung es mit einer solchen Haltung zumindest versucht, könnte heute durchaus zur Aufklärung beitragen. (Urs Meier)