Aufschlussreich ist, wie verschieden mit der Schweiz sich vergleichbare Länder, aber auch wirkliche europäische Kleinstaaten, diesem Wettbewerb stellen.
Das Geschwätz vom Kleinstaat Schweiz
war schon immer falsch, ist es aber seit der europäischen Zeitenwende ab 1990 noch im vermehrten Masse. Allein fünf der sechs Nachfolgestaaten von Ex-Jugoslawien sind kleiner als die Schweiz, alle drei damals neu unabhängigen baltischen Staaten sind es. Ebenso wie rund ein Dutzend weiterer europäischer Länder, darunter unser enger Nachbar Liechtenstein, aber auch etwa Luxemburg.
Was bitte ist hier klein?
Politisch sind wir eine europäische Mittelmacht, vergleichbar den skandinavischen Staaten, Belgien, Holland und Österreich. Wirtschaftlich gehört die Schweiz noch immer in die Gruppe der weltweit 25 Grössten, mit Teilen davon (Finanz, Handel, Pharma) noch weiter vorn. Wissenschaftlich spielt der Standort Schweiz, zumindest qualitativ in der globalen Champions League, als Kulturplatz hat die Schweiz Weltgeltung. Was bitte ist hier klein?
Und, wo sind die primitiven Steinschleudern gegen den wohlgerüsteten Goliath? Seit den Burgunderkriegen, mit den damals revolutionären Langspiessen bis zum Elektronenmikroskop (Nobelpreis 1987) sind Vorkämpfer aus der Schweiz immer mit der modernsten Technologie ins Feld gezogen.
Mit rückwärts gewandten Blut & Boden-Vergleichen aus der Nationallegende und der Bibel steht die offizielle Schweiz - sie wird dieses Jahr von Bundespräsident Ueli Maurer repräsentiert - unter vergleichbaren europäischen Ländern allein da.
Nationalistisches Getöse
Von den beiden, eingangs erwähnten, wirklichen Kleinstaaten hat Liechtenstein im Gegensatz zur Schweiz in einer Volksabstimmung den EWR-Vertrag gutgeheissen und sich damit eine Menge Scherereien erspart mit welchen wir im Moment unnötigerweise konfrontiert sind. Einer Mehrheit der Liechtensteiner war eben klar, dass das Ländle sich nicht auf dem Felsen in Vaduz, sondern auf der europäischen Bühne behaupten musste.
Dies wäre wohl auch denselben Rheintalern ein paar Kilometer weiter auf der St.Gallischen Seite, und damit der damaligen konservativen Mehrheit in der Schweiz, klar geworden, hätte nicht eine mit bislang einzigartiger finanzieller Wucht und nationalistischem Getöse vorgetragene Hetzkampagne im Vorfeld des schweizerischen EWR-Entscheides am 6. Dezember 1992 das knappe Resultat entscheidend und negativ beeinflusst.
Luxemburg als wirklicher Kleinstaat (0,53 Mio Einwohner) hatte sich als EG/EU-Gründungsmitglied schon früh für eine unabhängige, aber europäische Zukunft entschieden. Und dies offensichtlich nicht bereut, ist seine volle Teilnahme an EU und Währungsunion doch noch nie in Frage gestellt worden. Im Gegenteil, Luxemburg, und einige Luxemburger , boxen im europäischen Umfeld um einige Gewichtsklassen höher als dies ein Kleinstaat vermeintlich kann. Das jüngste Beispiel lieferte Jean-Claude Juncker, welcher von 2004 bis im Januar dieses Jahres den Schlüsselposten des ständigen Vorsitzenden der Eurogruppe bekleidete.
Vermeintliche Währungsautonomie
Wäre die Schweiz hier dabei, hätte man sich anstatt des jungen holländischen Finanzministers Jeroen Dijsselbloem durchaus einen erfahrenen schweizerischen Finanzpolitiker als Nachfolger vorstellen können. In einem Schlüsselposten von dem das europäische, damit auch schweizerische Wirtschaftsumfeld viel direkter beinflusst werden kann, als mit unser vermeitlichen Währungsautonomie. Vermeitlich, da vom Wechselkurs her, aber auch kommerziell (Exportfakturierung) und im Grenzverkehr (Touristen, Einkaufstourismus der Schweizer) Franken und Euro ohnehin untrennbar verbunden sind.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist Europa nachhaltigt befriedet, das Umfeld unseres Kontinentes aber nicht. Entsprechend müssen europäische, damit auch schweizerische Intressen dort verteidigt werden, wo sie in Gefahr sind. Also auch in Mali, um ein ganz aktuelles Beispiel herauszugreifen. Nicht nur Frankreich mit seiner entscheidenden Militäraktion gegen islamistische Fundamentalisten seit Januar 2013 hat begriffen, dass eine unstabile und rechtsfreie Sahelzone auch und gerade eine Gefahr für Europa (Terrorismus, Menschenschmuggel, politische und Wirtschaftsflüchtlinge, etc.) darstellt.
"Wenn Europa nicht will, dann halt China..."
Auch die der Schweiz direkt vergleichbaren Staaten Schweden (wie die Schweiz ein ehemalig ständiger Neutraler) und Norwegen (EFTA-Mitglied wie die Schweiz ) haben ihre entsprechenden Konsequenzen gezogen. Stockholm schickt 160 Militärpersonen, Oslo immerhin noch 25 Soldaten und Polizisten in die MINUSMA, die insgesamt 12`000 Mann umfassende UNO-Blauhelmtruppe, welche zusammen mit einer EU-Ausbildungseinheit (EUTM-Mali), amerikanischen Aufklärungsmitteln (in Niger stationierte Drohnen) und verbleibenden französischen Elitetruppen Mali vor dem Absturz in ein islamistisches Absurdistan bewahren soll - und wird.
Und die Schweiz? Nach zwei negativen Volksabstimmungen in den 80-er und 90-er Jahren über schweizerische Blauhelme ist die Situation halt schwierig
. So schwierig, dass Armeechef Blattmann bei der Präsentation des sicherheitspolitischen Berichtes 2010 eine Europakarte zur Berechtigung schweizerischer Militäraufwendungen zeigte, auf welcher Italien, Spanien und Frankreich als potentielle Gefahrenquellen aufschienen.
Leider kein Witz, aber leider auch ganz offensichtlich ungenügend im internationalen Vergleich sicherheitspolitischer Anstrengungen in und für Europa, wo die Schweiz krass negativ abschneidet. Solange wir hier nicht aufbessern, kann andenorts nicht mit Nachsicht für helvetische Sonderintressen gerechnet werden.
Wirklich lachhaft ist hier einzig die von der - gegenüber unseren Nachbarn und engsten Partnern trötzelnden - Nationalistenfront mitunter erhobene Forderung, wenn Europa
nicht wolle, könne die Schweiz ja mit Russland und China enger zusammenarbeiten. Wenn überhaupt, wäre das dann der wirkliche Goliath.