Sara Cagnassola, ein Mädchen aus New York, ist behindert und sitzt im Rollstuhl. Sie verehrt die italienischen Meister, die sie aus Kunstbüchern kennt. Vor allem Sandro Botticellis Venus, die aus der Muschel steigt, hat es ihr angetan.
In diesem Sommer flog sie mit ihrer Familie nach Italien in die Ferien. Ihr Vater war im Einsatz, nachdem am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in die Twin Towers in Lower Manhattan flogen.
Am vergangenen Freitag hatte Sara ihren 14. Geburtstag. Ihr Vater wollte sie mit einem Besuch in den Uffizien in Florenz, einem der wichtigsten Museen der Welt, überraschen. Dort sollte sie nun die Meisterwerke von Botticelli, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Caravaggio und Raffael bestaunen können.
Alles war organisiert. Doch, oh Schreck: die Uffizien waren geschlossen. In Florenz ist es in diesen Tagen über 40 Grad heiss (gefühlte Temperatur: 55 Grad). Wegen des Wassermangels und der Hitze stieg die Klimaanlage aus. Der Wasserstand des Arno-Flusses ist so tief, dass die Zisternen des Museums nicht gefüllt werden konnten. „Botticellos Venus schwitzt“, witzelten einige Florentiner, „und das will man den Besuchern nicht zumuten, also schliesst man die Gallerie.“
Hunderte Touristinnen und Touristen, die darauf gewartet hatten, Einlass zu finden, wurden weggeschickt. Nicht alle fanden das toll.
Sara sass enttäuscht und niedergeschlagen in ihrem Rollstuhl. Aus der Traum, die Geburt der Venus bestaunen zu können.
Einige Wartende hatten Mitglied mit dem Mädchen und informierten Eike Schmidt. Er, der deutsche Kunsthistoriker, ist seit 2015 Direktor der Uffizien. Und er fasste sich ein Herz.
„Natürlich gelten die Regeln für alle“, sagte er, „aber man kann auch einmal eine Ausnahme machen.“ So wurden Sara und ihr Vater ganz allein in die Uffizien geführt. Und ganz allein bestaunten sie die fast drei Meter hohe Geburt der Venus.
PS: In der Nacht auf Samstag fuhr ein riesiger Zisternenwagen vor den Uffizien vor und füllte die Tanks der Klimaanlagen. Am Samstag war das Museum wieder offen. Und Sara fuhr glücklich mit ihrem Vater nach Venedig.