Etwa hundert Tote. Kinder, die sich in der Stunde des Todes umarmen – die Grossen die Kleinen. Verstörend an der ganzen Sache ist die Suche nach Sündenböcken, die Forderung nach Rücktritten und dann der Übergang zur Tagesordnung. Als wäre nichts geschehen. Bis zum nächsten Mal.
Die Feuerwehr ist aufgeschmissen
Der erste Waldbrand, der ausser Kontrolle geriet, war derjenige bei Kineta an der Strasse von Athen nach Korinth. Zu dieser Zeit Ende Juli herrschten Temperaturen von fast 40 Grad und praktisch Windstärke 10. Kurze Zeit nach dem Brandausbruch in Kineta brach auch der Brand in Ostattika aus, konzentriert vor allem um den Badeort Mati. Es war dieser Brand, der die vielen Todesopfer gefordert hat. Warum war es so schwierig, ihn unter Kontrolle zu bringen?
Die Feuerwehr war in Kineta beschäftigt. Bis sie vor Ort in Mati war, dauerte es. Durch die Windstärke und während der Nacht war der Gebrauch von Löschflugzeugen schwierig. Normalerweise stoppen vierspurige Strassen und Autobahnen einen Waldbrand. Diesmal hat die Feuerwalze auch eine solche Breite des Windes wegen locker übersprungen.
Mit anderen Worten: Die Feuerwehr war aufgeschmissen.
Was könnte man tun?
Ich habe hier schon darüber geschrieben, wie man urplötzlich fast oder ganz von einer Feuersbrunst betroffen ist. Das einzige, was schnell helfen kann, sind Feuerwachen oder aufmerksame Nachbarn. Gelingt es, das Feuer im Keim zu ersticken, ist der Schaden gering. Ist es einmal ausser Kontrolle geraten, wird es schwierig.
Früher hat man jeweils im Frühjahr, bevor es trocken wurde, die Wälder geputzt und von trockenem Reisig befreit. Das macht man heute kaum mehr – ein Grund mehr, wie sich die Feuer ausbreiten können.
Nach der Feuersbrunst in Mati gingen sofort die Spekulationen um die Brandursachen los und es wurden Rücktrittsforderungen laut. Das Übliche. In internationalen Medien wurde der Verdacht geäussert, es habe sich um Brandstiftung gehandelt. Warum habe ich bis zum Beweis des Gegenteils Mühe, das zu glauben?
Stark überbaute Gegend
Bei der Brandkatastrophe vor 11 Jahren brannte etwa in zwanzigminütiger Entfernung von unserem Haus ein ganzer, bewaldeter aber unbebauter Hügel. Heute ist dieser teilweise überbaut – ein Schelm, wer Böses denkt. Bei Mati handelt es sich aber um eine parzellierte und stark überbaute Gegend: Kleine Häuser in den Bäumen und am Meer. Die Motivation für Brandstiftung fehlt also.
Was aber dazu führte, dass die Katastrophe einen derart hohen Blutzoll forderte was eben die Tatsache, dass die Gegend überbaut ist und dass die Fluchtwege fehlen. Die Feuerwalze überrollte die Häuser derart schnell, dass Menschen regelrecht umzingelt wurden. Man stellt sich besser nicht das Verkehrschaos von flüchtenden Autos vor.
Der Weg ins Meer versperrt
In Griechenland gibt es eine Verfassungsbestimmung, wonach das Meer frei zugänglich sein muss. Dieser wird aber ungenügend nachgelebt. In Mati gibt – oder besser: gab es viele Villen, die direkt am Meer liegen und die gegen die Strasse mit einem Zaun abgeschlossen sind. So war vielen Menschen auch der Weg an das rettende Meer versperrt.
Wir haben kürzlich im Dorfcafé mit Freunden aus der Gegend über diese Katastrophe gesprochen. Ein Gesprächsteilnehmer zückte das Smartphone und fand heraus, dass der griechische Staat jährlich 2 Milliarden Euro an Einnahmen aus der Legalisierung von illegalen Bauten einnimmt. Die Chance, dass er in Zukunft darauf verzichtet, ist verschwindend gering – es wird also weiterhin in brandgefährdeten, waldreichen Gegenden gebaut und das Haus nachher legalisiert.
Im Winter beklagte Griechenland die Flutkatastrophe von Mandra. Der Fluss, normalerweise ein Rinnsal, war zu einem reissenden Strom angeschwollen. So wie in Waldgegenden illegal erbaute Häuser nicht abgerissen werden, werden die Flussbetten nicht renaturiert. Niemand will sich unpopulär machen. Und sollte eine Regierung einmal tatsächlich ein solches Projekt in Angriff nehmen, würde die Opposition jeglicher Couleur das sofort ausnützen.
Die Katastrophe von Mati kann sich also wiederholen.